Rau weht ein dystopischer Wind von Norden her. Der war schon vor gut 25 Jahren, als sich Turbostaat in Husum formierten, mehr als nur eine steife Brise, hat die Formation seither auf sieben Alben friesisch-herb beißende Gesellschaftsanalysen komponiert.

Mit „Alter Zorn“ folgt kurz nach dem Gründungsjubiläum – in dessen Fahrwasser sämtliche Vorgänger auf Vinyl neu aufgelegt werden – die achte Ausgabe, eine Platte, die in ihrem langjährigen Entstehungsprozess – von geplatzten Konzerten bis zum Tod des engen Weggefährten und Merchandise-CEO Friese – keine Widrigkeit ausließ.

Vor schwierigem Hintergrund entstanden gemeinsam mit Produzenten-Großmeister Moses Schneider 12 Stücke, die mit bandeigener musikalischer Wucht auf sprachlichen Feinschliff treffen, in denen die Handlung die eigenbrötlerische Erzählebene der vor „Hauke-Haien“-Kulisse („Der Schimmelreiter“ von Theodor Storm, Anm. d. Red.) angesiedelten Alben „Abalonia“ oder „Uthlande“ verlässt und im urbanen Milieu andockt.

Wie die „Maschinen mit zu viel Spiel und ohne Schmierung“, die im „Subraum“ laut rotieren, hören sich Turbostaat auch dato nicht an, wenn schneidende Gitarrensoli, grollende Instrumental-Passagen und unruhige Bassläufe auf wühlende Drums treffen.

Auf einer treibenden Punk-Grundierung werden gängige Songschemata mit harten Brüchen verabschiedet, trägt die Musik schwer unter den Themen, die Texter Marten Ebsen mit poetischer Metaphorik in Traktate gepackt hat, die von Jan Windmeier so zornig ins Mikrofon diktiert werden, dass kein Zweifel an deren Dringlichkeit bleibt.

Das Quintett, das immer betont, dass die Band eine familiäre Gemeinschaft ist, die aus viel mehr Menschen als den Protagonisten besteht, überzieht die bohrende Einsamkeit mit „Nachtschimmel“, beschreiben per „Isolationen“ düstere Visionen vom Siechtum des Individuums im Schatten der KI, hetzt durch „33 Tage“ voller Klanggewalt dem „Jedermannsend“ entgegen – der letzten Station, die nach Freiheit klingt.

Turbostaat transportieren den Sound einer Krise zwischen Kapitulation und Handeln-müssen, liefern eine nüchterne Bestandsaufnahme vom Leben in einem Land, in dem für die einen das gute Leben dort erreicht ist, wo für andere der Untergang beginnt.

Alte Liebe rostet nicht. „Alter Zorn“ schon gar nicht.

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