The Lumineers haben sich selbst einen Marken-Klang erschaffen. Das fünfte Album „Automatic“ präsentiert das US-amerikanische Duo kammermusikalisch, so ähnlich wie auf einer Unplugged-Platte, wieder etwas reduziert im Vergleich zum Vorgänger „Brightside“ (2022).

Gegenüber „III“ (2019) hat sich trotz des langen Abstands keine nennenswerte Weiterentwicklung ergeben, dem Folk-Pop von „Brightside“ hat man – bis auf „So Long“ – den Pop gestrichen. Übrig bleibt Folk.

Dabei gleichen die Strophen ihre Lieder, mit Jeremiah Fraites Trommeln, den Galopp-Läufen einer Marsch-Big Band. Manchmal übernehmen Piano-Töne aus einem denkbar tiefen Register die Funktion der Drums.

In den Refrains entlädt sich aufgestaute Emotion, und alles lebt von Wesley Schultz charakteristischem Gesang: Trällernd, schwelgend, reflektiert, bisweilen höchste Töne ausreizend.

Die Konservierung des Schlichten kann man so sehen, dass The Lumineers ihrem Stil treu bleiben, authentische Geschichtenerzähler sind und sich keinerlei Marketing-Vorgaben zu eigen machen.

Gleichfalls lässt einen die Band nicht nur hinsichtlich neuer Akzent-Setzungen warten, sondern überhaupt auf einen Clou. Die puristische Platte hört sich angenehm unaufgeregt an, reiht geradlinig einen kompakten Song an den vorherigen.

Passend dazu, dass das Einstiegslied „Same Old Song“ heißt, beschleicht einen beim Hören leicht der Eindruck, genau das wahrzunehmen: Immer denselben alten Song.

Dabei baut sich viel Drama auf, doch es fehlt der Wendepunkt, die Katharsis, die Überraschung. Während die vorhersehbaren, fraglos liebevoll kredenzten Stücke vor sich hin plätschern, stellt sich die Frage: Sind es etwa die Texte, in denen Jeremiahs und Wesleys Drang schlummerte, diese Sammlung unscheinbarer Tracks so zu veröffentlichen?

Die Lyrik bleibt allerdings auch übersichtlich, mit zahlreichen Wiederholungen und Drehungen im Kreis. Fehleinschätzung einer Freundin als „Asshole“, Fehleinschätzung einer Beziehung mit Fixierung auf die Person, Fehleinschätzung der Wirkung auf andere, Träume von besseren Tagen – solche Motive unterstreichen das Gesamtbild eines sehr konventionellen Albums.

Laut Wesley Schultz gehe es „sowohl um Langeweile als auch Reizüberflutung.“ Die Umsetzung wirkt vage. Im Titelstück „Automatic“ findet man zwar feinen Spott auf aktuelle Trends („driving your electric cars / eating at the salad bars“), die meisten Nummern erschöpfen sich indes in verworrenem Wohlklang.

Gimmick-Zeilen, denen nichts Passendes folgt, zum Beispiel: „I can’t give it up / fillin‘ all the holes in us“, „Mixing up all our friends and enemies / dress it up in a precious melody“, „Find yourself a lover / give it to another, like I did“, „Can’t we scroll back and delete / fight dirty, lie, steal and chant“.

„Automatic“ ist orthodoxe Sparsamkeit ohne Manipulation (etwa durch übersättigende Produktionstechniken oder Effekte). Mit Klavier, Streichern, gespielt von Megan Gould an Bratsche und Geige, Byron Isaacs am Kontrabass, zudem mit rustikalem Schlagzeug und mit Liedern, die sich binnen Millisekundenschnelle erschließen.

Der letzte und längste Tune ist der beste. Ausgerechnet hier, in „So Long“, geraten The Lumineers in Fahrt und finden eine Hookline, die im Gedächtnis bleibt. Insgesamt ist das Album handwerklich super, leiht den Musizier-Fähigkeiten aber zu wenig Ideen.

Das Cover zeigt ein Testbild – das passt: „Automatic“ dient als Platzhalter dafür, dass es wieder einen Lumineers-Longplayer gibt. Genauso ließe sich aber auch austauschbar eine frühere Scheibe der Band auswählen – man hätte ungefähr das Gleiche, bereichert um eine Reihe von spannenden Momenten.

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