Sabrina Mae Teitelbaum alias Blondshell findet, es ist an der Zeit, auf ihrem zweiten Album „If You Asked For A Picture“ etwas über ihr Leben zu erzählen. Nicht alles, aber zumindest soviel, dass wir wissen, dass wohl auch sie Musik macht, um ihr Kindheitstrauma loszuwerden.

2023 hat Blondshell ihr selbstbetiteltes Debütalbum veröffentlicht, das sogar Barack Obama toll fand. Der einsetzende Erfolg führte nicht nur zu Late-Night-TV-Auftritten, sondern auch zu einem exzessiven Namedropping auf Wikipedia, nur um ihren Sound zu beschreiben.

Das wollen wir mal abkürzen. Blondshells Stimme klingt wie eine Mischung aus Dolores O’Riordan (The Cranberries) und Shania Twain, als sie versucht hat, Mainstream-Pop zu machen. Das kann auf Albumlänge etwas herausfordernd sein, was der Sound jedoch retten kann, der zwischen Liz Phair und Haim liegt, aber amerikanisch harmlos genug ist.

Irgendwo zwischen Indie-Pop und -Rock findet Blondshell ihren Platz, um uns von ihrer Patchworkfamilie, der zu früh verstorbenen Mutter und vergangenen Beziehungen zu berichten.

Dabei gibt sie sich erstaunlich offen, wenn „Thumbtack“ vom Gefühl des „fucking with my head“ berichtet, was eine unvollkommene Beziehung in ihr auslöste.

Ein wenig Teenage-Drama gibt es in „T&A“, mit der rockigen Görenhaftigkeit einer frühen Avril Lavigne verarbeitet, um sich letztendlich dem Kindheitstrauma und ihrer psychischen Erkrankung auf „Arms“ zum ersten mal zu öffnen. Das geschieht auf angenehme, betont rockige Art und Weise, der speziell im Refrain an Veruca Salt zu erinnern vermag.

„What’s Fair“ bedient sich weiter aus der kalifornischen Indie-Rock-Schublade à la Best Coast, lässt mehrstimmige Refrains als Haim-Soundalike erklingen und zeigt dabei doch eine gewisse Eigenständigkeit, die dem Album in Gänze leider abhanden kommt.

So sorgt speziell Blondshells mäandernde Stimme auf dem balladesken „Two Times“, trotz der Aufarbeitung ihres Elternhauses, für zu wenig vermittelte Emotionalität, als dass der Titel wirklich einen Ansatz hätte.

Vielleicht ist man mittlerweile zu übersättigt von diesem amerikanischen Indie-Sound, wie das bereits angesprochene Wikipedia-Namedropping ja belegt. Denn auch Blondshell kann, trotz Seelenstriptease, nicht wirklich aus dieser Masse an gitarrenbewehrten Sängerinnen herausragen.

Schade eigentlich, denn die Missbrauchs-Thematik von „23’s A Baby“ ist aktuell wie immer, doch wirkt die schmissige Gitarrenrhythmik zu heiter für die besungene „Hopelessness“.

So findet sich auf dem Dutzend Titel zwar viel Persönliches aus dem wohl sehr bewegten Leben der jungen Künstlerin wieder, ohne dabei diese Fingerzeig-Mentalität zu haben.

Doch fehlt dieser wirklich große Track, wie es ein „Change“ hätte vielleicht sein können. Dieser bluesige, fast schon grungige Titel gräbt mit tieferer Stimmlage und genau der richtigen Schaufel Eingängigkeit aus dem Loch der Vergangenheit. Doch überspannt Teitelbaum den Bogen der Spannung und verpasst diesen erlösenden Moment, der dann erst zu spät eintritt.

So verbleibt Blondshell auch mit „If You Asked For A Picture“ nur ein Platz in der ellenlangen Liste von Indie-Rock-Künstler*innen auf Wikipedia.

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