Holt Justin Vernon Bon Iver zurück auf den Boden postmoderner Folkromantik? Zurück aus den schwadigen Autotune- und Vocoder-Experimenten seiner jüngsten Vergangenheit? Jein! Dabei wäre eine Nummer eindeutiger so schön gewesen. Die Welt ist schließlich chaotisch genug.

„SABLE, fABLE“ ist Bon Ivers fünftes Studioalbum, das erste seit sechs Jahren. Dass das schon wieder so lange her sein soll, ist eindeutiger Beweis für die Relativität von Zeit. Waren die vier Jahre zwischen dem meisterhaften Debütalbum „For Emma, Forever Ago“ (2007) und dem Nachfolger „Bon Iver, Bon Iver“ (2011) noch eine halbe Ewigkeit, hat man nach dem durchwachsenen „I, I“ (2019) nicht zwangsläufig mit gleicher Intensität auf ein weiteres Bon-Iver-Album hingefiebert.

Doch jetzt sieht Vernon zunächst einmal „Things Behind Thing Behind Things“ und fast alles ist wie früher. Jedenfalls ist das der Eindruck nach einer knappen Viertelstunde.

Bis tatsächlich wesentlich mehr passiert als Justin Vernons Stimme und bedächtigem Gitarrenpicking, dauert es bis zum Bläser-Crescendo im dritten Stück „Award Season“. Und selbst das geizt mit Opulenz und ist schneller verschwunden, als es kam.

Die ersten drei Stücke waren bereits im Herbst 2024 als EP „SABLE“ erschienen und nährten die Hoffnung, Bon Iver könnte mit einer Rückbesinnung auf seine Wurzeln zwei Schritte vorwärts machen.

Doch bereits ab dem vierten Song „Short Story“, dem ersten von neun weiteren neuen Songs, bekommt die Hoffnung erste synthetisch herbeigeführte Risse. Und ab „Walk Home“ besteht dann die Gewissheit, dass Bon Iver ohne die elektronische Leier und überkandidelten Gesangseffekte einfach nicht mehr kann.

Sollen die Songs von „SABLE“ noch eine Art der Reflexion, Angst, Depression, Einsamkeit und Sühne verkörpern, wenngleich sie derart niedergeschlagen nie klingen, stehen die neuen Stücke für Aufbruch und Zuversicht. Was für Vernon im Umkehrschluss offensichtlich bedeutet, sie zu den poppigsten, bisweilen käsigsten Songs in seinem Kanon auszuschmücken.

Sicher kann man sich den schillernden Soul-Pop in „I’ll Be There“ oder das mit Danielle Haim gesungene Duett „If Only I Could Wait“ schön hören und dann im Zweifel schön reden. Allein für die Fülle an schmachtendem Befindlichkeitspop sind sechs Jahre warten dann doch wieder zu lang.

Denn ganz gleich wie verziert Popmusik ausfällt, bleibt auch kunstvoll gepflegte Langeweile immer Letzteres. Am Ende steht die Einsicht, dass der erste Song doch der beste war und wir die alten Bon Iver wohl nicht wieder bekommen.

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