Für wenige Sekunden lässt sich glauben, dem Auftakt eines klassischen Rock-Albums zu lauschen. Einem beherzten E-Gitarrenakkord folgt derselbe noch einmal. Immer wieder. Die Intervalle werden kürzer. Das Tempo steigt. Auf einer zweiten Ebene hören wir den Dreiklang als Echo erneut. Irgendetwas stimmt hier nicht.
Die beschriebene Song-Sequenz findet sich im Opener des neuen Longplayers von caroline, das mit Blick auf die Diskographie der Londoner Band konsequenterweise „caroline 2“ heißt. Schon auf dem Erstling „caroline“ war keineswegs konventionelle Rockmusik zu hören.
Zu den gleichzeitig und doch nicht gleichförmig gespielten Akkorden auf dem Eröffnungsstück „Total Euphoria“ gesellt sich nach einer Weile ein hallendes und schepperndes Schlagzeug und eine weiche, mehr zu spürende als zu hörende Gesangsstimme.
Dieses Gleichzeitige verschiedener, kaum kompatibel erscheinender Elemente beschreibt den Grundansatz der um Casper Hughes, Jasper Llewellyn und Mike O’Malley seit 2017 langsam gewachsenen Band. Dabei scheinen caroline mit einem ganz eigenen Verständnis von Rhythmus zu arbeiten.
Musikalisch schöpfen die Briten aus den Vollen. Bratschen, Celli, Klarinetten, Flöten und vieles mehr begleitet uns auf unserem Weg durch einen undurchdringlichen Klangkosmos. Diesen einem bestimmten Genre zuordnen zu wollen, etwa Folk oder Post-Rock, grenzt an Vermessenheit.
Wer bei „Song Two“ an Blur dachte und bei „Coldplay Cover“ ein Coldplay-Cover erwartete, wird selbstverständlich enttäuscht. Nichts ist, wie es scheint. Das gilt auch für das letzte Stück „Beautiful Ending“, das einer langsam verglühenden Zündschnur ähnelt.
Wer nach verlässlichen Songstrukturen sucht, wird auch in „Tell Me I Never Knew That“ nicht fündig, das caroline zusammen mit Namensvetterin Caroline Polachek aufgenommen haben, das aber spätestens beim zweiten Hören seine hypnotische Kraft entfaltet.
Am Ende kommt es wahrscheinlich auf die Hörenden an. Wer sich den artifiziellen Klangexperimenten des Acht-Mann-Kollektivs hingibt, wird sie auf „caroline 2“ spüren können: eine kaum zu ergründende Intensität, fernab gewohnten Terrains.