Fontaines D.C. sind inzwischen durchaus größeres gewohnt als die Freilichtbühne Killesberg in Stuttgart. Verglichen mit ihrem kürzlich im Londoner Finsbury Park stattgefundenen Auftritt vor 45.000 Menschen, fällt dieser hier drei Nummer kleiner und regelrecht überschaubar aus.

Gerade in der anfliegenden Dämmerung wirkt die Location – von oben betrachtet – fürs Theater zu groß, für eine Rockshow zu klein und für Fontaines D.C. zu museal.

Die ersten Klänge von „Romance“, dem Titelsong ihres gleichnamigen Albums, das die Dubliner 2024 von der Lieblingsband aus dem Fachmagazin zum internationalen Act für Zehntausender-Bühnen machte, muss sich hier erst einmal zurechtfinden.

Der einem Amphitheater gleichende Publikumsbereich, mit seinen im Rund platzierten Holztribünen an den Seiten und Pommes- und Wurstbuden darüber, ist nicht zwingend ein prädestiniertes Tableau für das universelle Gefühlsbankett von Sänger Grian Chatten, der sich in kurzen Hosen, die so weit sind, dass sie aus der Ferne fast als Schottenrock durchgehen, durch seine existenziellen Ängste singt.

Der Frontmann, der seine Mitmusiker an der Musikuniversität in Dublin kennen lernte, hat mit seinem Soloalbum „Chaos For The Fly“ bewiesen, was für ein großartiger Songwriter in ihm steckt. Bei Fontaines D.C teilt er sich die Aufgabe mit dem Gitarristen Carlos O’Connell und den beiden Conors, mit Nachnamen Curley und Deegan.

Dadurch hat er hier die Hände frei und macht von Beginn an die Geste eines Apfelpflückers, wenn er vom Publikum seinerseits die Hände sehen will. Doch erst als es dunkel wird, wirkt der animierte Querschnitt vor der Bühne, der sich dem Alter nach von vorne nach hinten staffelt, auch in seiner Masse angemessen groß. Die ersten fünf Reihen gehören der Gen Z, die Tribünen und Pommesbuden den Best-Agern.

Nach Sonnenuntergang klingt auch der Sound weniger schwachbrüstig als zu Beginn und das irische Grün des Lichtkonzepts, das nicht zuletzt das passend betitelte „Sundowner“ ausleuchtet, kommt zu seiner vollen Entfaltung.

Man hat das Gefühl, dass die Dinge, die am Anfang noch zusammenfinden mussten, mit zunehmender Spieldauer besser harmonieren. Fountaines D.C.‘s Bastard aus Postpunk und Britpop hallt zwischen den Bäumen nach, die die Location säumen – als eine Form urbaner Rockmusik, die das Potenzial zu einer neuen kleinen Jugendbewegung mitbringt, weil sie auch außerhalb der Großstadt funktioniert.

Das zeigt sich zunächst im wundervollen „Favourite“, das in seinen Melodien die Anlehnung an die Ästhetik der 90er Jahre sucht, wie sie die Bandmitglieder auch in ihrer Garderobe finden. Und doch ist beides eher ein Zitat als eine Kopie. Die elektronischen Elemente ihres Sounds und die druckvollen Bässe sind so kontemporär wie die mitgebrachten, politischen Botschaften.

Die zeigen sich einmal mehr im vierteiligen Zugabenblock, der vom herrlich schwelgerischen „In The Modern World“ bis zum stampfenden „Starbuster“ die eigentlichen Qualitäten dieser aktuell wohl spannendsten Rockband offenbart – gerade weil sie keine Scheuklappen, sondern lieber Hosen trägt, in denen sich wohnen ließe.

Irische Flaggen im Publikum, die Palästina-Flagge auf der Bühne, und das Palästinenser-Tuch am Ende von „Starbuster“ in den Armen von Grain Chatten sprechen eine eindeutige Sprache, ohne dass die Band das kommentiert.

Die Iren sind eben nicht nur musikalisch ein Kind der Vergangenheit, das mit den Herausforderungen der Gegenwart konfrontiert wird. Und irgendwie passt das am Ende doch besser in die Freilichtbühne, als es von der Schlange an der Pommesbude zu Beginn den Anschein hatte.

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