Cate Le Bon macht mit „Michelangelo Dying“ nicht das nächste große Album – und trotzdem ein sehr Gutes.
Die walisische Musikerin, Songwriterin und Produzentin, die sich seit ihren ersten Veröffentlichungen einen Ruf als eine der eigenwilligsten Stimmen im zeitgenössischen Indie und Art-Pop erarbeitet hat, sie wird von den Kolleg*innen bei Pitchfork voll des Lobes als Art-Pop-Ikonoklastin, und „Pompei“ von 2022 als das himmelwärts gerichtete sechstes Album betitelt.
Vor diesem Hintergrund ist der Nachfolger einer, der mit denselben Mitteln den Blick auf die Füße richtet. Die Kunst also von oben betrachtet, um zu sehen, was sich im Kleinen an Wundern und Unwirklichem versteckt.
Sicher, Songs mit Hitpotenzial waren noch nie das Ding von Cate Timohty, wie die 1983 in Penboyr geborene Künstlerin mit bürgerlichem Namen heißt. Weniger Hittiges war aber auch selten, in diesen Mikrokosmen von Kompositionen.
Die Songs mäandern in den unterkühlten Chorus- und Flanger-Gitarren-Sounds von links nach rechts. Elektronische Drums füllen die Lücken, wo kaum welche sind. Und Cate Le Bon sprechsingt ihre surrealistischen Texte hinein in eine wohlige Wolke aus Klang.
Eine Wolke aus der ein Saxophon Löcher in die Zeit bläst, wo dann nicht ganz klar ist: Sind das die 80er, das Revival oder der liebevolle Gruß aus der Gegenwart an Kate Bush?
So oder so findet man sich nicht immer gleich zurecht, fühlt sich aber prima aufgehoben, in dieser Mischung aus kühler Distanz und intimer Seltsamkeit, die keine Höhepunkte kennt, dafür aber einen Sog entwickelt, der immer tiefer hineinzerrt in Cate Le Bons Kosmos aus spröder Klarheit und unnahbarer Eleganz.
Wo diese Konnotationen zunächst an die avantgardistische Note von John Cale erinnern, da begegnet einem der Meister von The Velvet Underground plötzlich persönlich in „Ride“, beinahe einer Fata Morgana gleich. Das Feature mit ihm ist eines, das sich als mystizistischer Titelsong des letzten David Lynch Films förmlich aufgedrängt hätte, wenn es einen gegeben hätte.
Darin liegt letztlich der Wert von „Michelangelo Dying“. Die Platte ist nicht so glamourös, nicht so schillernd wie der Vorgänger. Im direkten Vergleich bleibt sie gar ein gutes Stück unauffälliger, und spielt ihre Stärken dehalb aus der Deckung heraus aus.
