Die Dezibelzahl bei Swans-Auftritten ist so legendär wie die Band selbst, vielleicht war eine überforderte Schalldämmung im ursprünglich vorgesehenen Haus Leipzig eine der „produktionstechnischen Gründe“, wegen denen das Gastspiel der Noise-Ikonen in das Werk 2 verlegt wurde.
Insider greifen jedenfalls am gestrigen Donnerstag zu den am Eingang der Halle D bereitliegenden Ohrstöpseln, denn Frontmann Michael Gira ist zwar Ü70, aber deshalb nicht weniger laut als zu Karrierebeginn auf den apokalyptischen Soundmonstern „Filth“ oder „Cop“.
21:10 Uhr nimmt der Leitschwan in der Mitte des Ensembles Platz und stimmt mit dessen weiteren Mitgliedern „The End Of Forgetting“ vom kommenden neuen Album an, das wohl 2026 erscheinen wird.
Dieser ist kein Song im klassischen Sinn, so wie die meisten der auf den letzten Platten hinterlassenen Tracks eher einen Messe sind, die – wie auch in den folgenden zweieinhalb Stunden mit „The Merge“ vom aktuellen Album „Birthing„, „Paradise Is Mine“ von „The Beggar“ (2023) oder den neuen Tracks „Little Mind“ und „Newly Sentient Being“ – mit unerbittlicher Intensität zelebriert werden wird.
Hypnotisch schichten die Swans Klangfläche für Klangfläche übereinander, lassen im Ausloten von Frequenz und Lautstärke für Momente Harmonien zu, die im nächsten Augenblick ins Bedrohliche kippen, walzen phonstark alles im Weg stehende platt, um auf der Brachfläche neue Tongebäude zu errichten, füllen mit glühenden Folk-Fragmente die Krater, die ihre Abrissbirne zuvor hinterlassen hat.
Michael Gira versinkt im Rausch der Musik, tanzt sich in Trance, korrigiert Abweichungen der Arrangements, die wahrscheinlich nur er selbst erkennt, mäandert sein Bariton im Dämmerzustand zwischen nihilistischer Bestandsaufnahme und Vorahnung des Unausweichlichen.
Obwohl weder Kristof Hahn (von Michael Gira später als „kleiner Junge“ vorgestellt), noch Norman Westberg, Dana Schechter („eine große, hübsche Frau“), Larry Mullins, Phil Puleo oder Christopher Pravdica einen Taktgeber nötig hätten, folgen sie hochkonzentriert den Anweisungen aus dem Gira’schen Gravitationszentrum.
Sie lassen sich von ihrem Dirigenten abholen und entfachen bereits im Opener nach 20 Minuten einen infernalen Sturm, obwohl das Intensitätslevel an dieser Stelle bereits ausgereizt schien.
So geht es bis zum Schlussakkord, organisch und befreit von Performance und Effekten bleibt das Konzert als physisch aufwühlendes Ereignis in Erinnerung.
Und auch, wenn es die letzte Tour im Big-Sound-Format sein soll: „Swans Are Dead“ galt weder 1998 noch dato, Michael Gira und seine Mannschaft werden der Fortführung ihres Schaffens obsessiv verpflichtet bleiben.







