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Swans – The Beggar

„Michael Is Done“. Der Titel auf „The Beggar” hört sich zwar an, als würde der Deckel von dem dicken Buch zugeschlagen, in dem sich Michael Gira seit den frühen Achtzigern künstlerisch verewigt, ist aber eher ein Hinweis auf den Werdegang des neuen Swans-Albums als ein Resümee seines Autors am Karriereende.

Müde des isolierten Wartens während der Pandemie ging der Leitschwan, für den „Swans“ weniger Name einer Band, denn Sammelbegriff für die Weiterentwicklung musikalischer Ideen in Zusammenarbeit mit einem Musikerkollektiv bedeutet, mit der Intuition an die Arbeit, als wäre mit dieser Platte das Finale seiner kreativen Arbeit erreicht.

„I wonder what you are / I wonder where I am“ fragt der Protagonist im schamanenhaft-brüchigen Vortrag des schleichenden Einsteigers, drehen sich die Lyrics von „The Parasite“ wie die Texte im weiteren Albumverlauf um den grundsätzlichen Sinn des Lebens aus Autorensicht. Perspektiven, die in gesammelter Form seit vergangenem Jahr in seinem Buch „The Knot“ nachzulesen sind.

Die Stücke, deren Rohform auf der Crowdfounding-LP „Is There Really A Mind“ in limitierter Auflage für Spender verfügbar waren, bekamen in den Berliner Candy Bomber Studios von einer formidablen Rhythmusgruppe, bestehend aus Larry Mullins, Dana Schechter, Christopher Pravdica, Phil Puleo und Kristof Hahn, ihre Orchestrierung. Dazu spielte Ben Frost Gastbeiträge ein und es sind Jennifer Gira, Lucy Kruger und Laura Carbone im Background zu hören.

Gravitationszentrum ist das 44-minütige „The Beggar Lover (Three)“, eine Höllenfahrt, die zunächst ansetzt, die monumentalen Klangtürme von „The Seer“ und „To Be Kind“ zu erklimmen, später „The-Glowing-Man“-Dronenklänge, Feldaufnahmen und Grusel-Americana in einem unheimlichen Tonlabyrinth einschließt, wie der Vorbote „Paradise Is Mine“ mit kakophonem Charme, sedierend wie über die Tafel schlitternde Fingernägel infolge abgebrochener Kreide, erschaudern lässt.

Das 16. Swans-Studioalbum schöpft aus dem Fundus des Young God Records Sound-Universums, folgt „Los Angeles: City Of Death“ einem Klanggerüst, wie es auf „The Great Annihilator“ zugegen war, glitzern „Michael Is Done“ und „Ebbing“ von höheren Mächten beflügelt, als wären die Nummern im Fahrwasser von „Love Of Life“ komponiert.

Der organische Folk von The Angels Of Light leuchtet durch „Unforming“, der Abgesang „No More Of This“ findet mit energischen Chören instabilen Frieden, verleihen mehrere Gesangsebenen „Why Can’t I Have What I Want Any Time That I Want” Unwucht, hämmert „The Memorious“ auf den Spuren vom „Children-Of-God“-Track „New Mind“ unausweichlich dem Untergang entgegen.

„Mystery Of Faith“ von der The World Of Skin Platte „Ten Songs For Another World“ endet mit den Worten: „…die gesamte Welt umfassend, in der ich ein wesentlicher, aber unnötiger Bestandteil war“. Stünden diese für Michael Giras musikalischen Nachlass, müsste „unnötig“ unbedingt gestrichen werden.

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