Was für die einen Mallorca oder die Seychellen, sind für die anderen die französischen Küsten. Die Côte d’Azur im Süden war schon in den 1960ern so ein Sehnsuchtsort, und Jonathan Jeremiah kamen die Ideen zu seinem letzten Longplayer „Horsepower For The Streets“ an der Westküste in der Nähe von Bordeaux.
Das Frankophile hat sich der Londoner erhalten, und auch sein Nachfolge-Album „We Come Alive“ knüpft an die Barock-Pop-Schnittmenge an, die zwischen den Chansons der französischen Legende Serge Gainsbourg und dem Wahl-Londoner Scott Walker in den Sechzigern schon bestand.
Bei Jonathan Jeremiah weiß man daher mittlerweile gar nicht mehr, ob man anachronistische Chansons, aktuellen Soul oder gar eine Sinfonie hört. Die Songs der Platte baden wieder in üppigen Arrangements mit Streichern.
Im Unterschied zu „Horsepower For The Streets“ lassen Geigen, Cello und Bratsche dieses Mal aber mehr Raum für Jeremiahs ursprüngliche Kernkompetenz, das Geschichtenerzählen an der Akustikgitarre, dem dominierenden Instrument im Track „There’s No Stopping Me“.
Im tänzelnden „The Suntrap“ setzt der Barde an der Akustischen sich zum Beispiel mittendrin im Pomp überraschend durch: Es wirkt dann, als springe man aus einem Wald-Dickicht auf einmal in eine Lichtung, aus dem überfüllt Quirligen ins Reduzierte, und sehe dann alles hell und klar.
Auch der Liedtext spielt mit dieser Idee von Licht und Dunkel, der Suche nach einem blauen Himmel und der Frage: ‚Wie lange willst du im Schatten versteckt bleiben?‘ Gemeint ist damit auch die hintersinnige Frage, inwieweit wir unsere Welt infrage stellen und kritisch denken.
Die Kombination aus solchen typischen Singer/Songwriter-Motiven sowie Folk-Metaphern und der progressiven Musikgestaltung mit Mitteln anderer Genres, die dann die Grenzen der eigenen Szene gleichzeitig maximal brechen, ist hier eine reife Meisterleistung.
So kitzeln eine vielschichtige Improvisation über eine Jazz-Trompete oder immer wieder ein wunderschöner Pop-Chor mit Frauenstimmen die Ohren.
Die Frage nach Anspieltipps kann man sich hier schenken, weil alle Songs von gleichwertig herausragender Qualität sind, süß, das Leben liebend, exzellent formuliert, umwerfend gesungen und großartig produziert.
