So langsam dürfte sich Chet Faker daran gewöhnt haben, vor ausverkauftem Hause zu spielen und darüber hinaus ununterbrochen auf Tour zu sein. Spätestens seit der Veröffentlichung seines Albums „Built On Glass“ im Frühjahr platzt sein Terminkalender aus allen Nähten. Wer ihn im Sommer bei dem ein oder anderen Festival wie dem Dockville oder Melt! verpasst hat, der dürfte über die erneute Rückkehr des australischen Musikers nach Deutschland erfreut gewesen sein. Vorausgesetzt, die Karten waren schnell genug gekauft, denn auch das Berliner Astra war, wie vermutet, rappelvoll und ein paar traurige Gesichter hofften vor den Türen vergeblich noch auf ein Wunder, um doch noch irgendwie reinzukommen.
Wehe all denen, die sich zu spät auf den Weg machten und dadurch einen der reizvollsten und interessantesten Supports seit langem verpassten. Ibeyi, ein französisch-kubanisches Zwillingspaar, eröffneten an diesem Abend für Chet Faker und stellten Songs aus ihrem im Februar erscheinenden Debütalbum vor. Auf diesem vereinen sie einen minimalistischen Sound mit elektronischen Samples, der sich live auf der Bühne zu einem wahren Sog mit viel Eigendynamik und vielerlei spannenden Impulsen entwickelt.
Von der west-afrikanischen Kultur und Sprache der Yoruba geprägt, verschmilzt ihr Klangbild zu einer Symbiose aus traditionellen und modernen Elementen. Kulturelle oder sprachliche Barrieren hielt das Berliner Publikum nicht davon ab, sich aufgeschlossen den Gesängen und Tänzen der beiden Schwestern anzuschließen.
Wärmebedürftige Zuschauer wurden schon wenig später gleich doppelt gut eingewickelt. Zum einen von der mittlerweile gut angestiegenen Innentemperatur im Astra, zum anderen vom leicht rauen, gefühlvollen Soul-Gesang des Herren aus Melbourne, der abseits seines Künstlerdaseins auf den Namen Nicholas James Murphy hört. Es brauchte gefühlt nicht mehr als ein paar Sekunden, bis ihm die Menge vollends verfallen war und sich der Geräuschpegel in den obersten Regionen wiederfand.
Im weißen Hemd schlenderte Chet Faker mit der typischen Gelassenheit eines Australiers, auf seinem in der Mitte aufgebauten Turm an Equipment, bestehend aus Keyboard und Synthesizer zu, denen er im folgenden Set mit viel Fingerfertigkeit und Konzentration eine Fülle von Songs entlockte.
Im Do-It-Yourself-Modus fühlt sich der smarte Künstler mit Rauschebart pudelwohl. Schließlich darf er sich als Independent-Musiker ganz nach seinen Wünschen kreativ ausleben und ist es gewohnt, die Dinge um sich herum selbst anzupacken. Sein in Eigenregie aufgenommenes Debütalbum ist auf eben jene Weise entstanden und ein Gütesiegel dafür, dass es auch ohne Label und dem dazu gehörigen Strudel der Musikindustrie geht.
Und das Gute daran? Was Chet Faker da alleine in seinem Kämmerlein in Down Under mit so großer Leidenschaft und einem feinen Gespür für Melodie und elektronischer Raffinesse geschaffen hat, funktioniert gerade dank dieser den Songs innewohnenden Authentizität nun auch fernab bestens.
Längst hat ihn sein Weg vom „No Diggity“ Cover-Helden zu einem vielschichtigen und aussagekräftigen Songwriter geführt, der besonders auf der Bühne zu einem Erlebnis wird. Statt einstudiertem Set mit hohem Knopfdruck-Faktor, wie bei so vielen seiner Kollegen in der Elektronik-Szene, steht Chet Faker dagegen bei der Live-Umsetzung seiner Songs ebenso sehr für handgemachte Arbeit wie schon bei den Aufnahmen seiner Songs.
Während er seine Finger über die vielen Tasten gleiten lässt, ist er nicht nur mental, sondern auch physisch in ständiger Bewegung und verfällt das gesamte Set über in einen völlig in den Moment und der Intensität der Musik verlorenen Taumel. Die Augen meist geschlossen und die Stimmbänder dem sehnsuchtsvollen Inhalt seiner Songs nach gut gedehnt, spielt er ganz auf sich alleine gestellt oder mit zwei weiteren Musikern an der Gitarre und dem Schlagzeug ein inbrünstiges Set, das zwischen greifbarer Intimität und elektronischer Wucht schwankt.
Zwischendurch lugt er beim innigen Spiel mit den Tasten zwischen den Füßen seines Synthesizers hindurch, erfreut sich am Anblick des entzückt-groovenden Publikums oder pfeift auf ein maßgeschneidertes Set, in dem er sich eine kleine Improvisationspause nimmt, um ganz zwanglos einfach drauflos zu legen.
Ein Jeff Buckley Cover, mehrere verschmitzte Ansagen und einem den loyalen Fans ausgesprochenen Dank später wird deutlich, warum Chet Faker nicht nur Songs schreibt, die „Gold“ heissen, sondern künstlerisch ebenso sehr strahlt. Mit vergleichsweise wenig Mitteln gelingt es ihm, sein musikalisches Können und sein emotionales Inneres auf faszinierende Weise miteinander zu verbinden.
Dass er mit Songs wie „1998“, „Talk Is Cheap“ oder auch „To Me“ an diesem Abend im Astra auch noch für ein paar angenehme Druckstellen auf den Herzen sorgt, verzeiht man ihm augenblicklich, wenn man sie nicht ohnehin heimlich herbeigesehnt hat. Überhaupt, wir wollen in Zukunft noch mehr davon.