Verkaufszahlen sind viel zu abstrakt – Mumford And Sons im Interview

Vor ziemlich genau einem Monat trug sich etwas Außerordentliches zu: Mumford & Sons hauen – vollkommen aus dem Nichts und ohne Vorwarnung – den neuen Song „Guiding Light“ raus und kündigen ein Album an. Jetzt, nachdem das besagte Jahreszwölftel ins Land gezogen ist, soll „Delta“, so heißt das erste Album seit dem mäßig euphorisch rezipierten „Wilder Mind“, erscheinen. Wir haben mit Bassist Ted Dwane über die Arbeit daran, Erwartungen der Hörer und Bierzelte gesprochen.

MusikBlog: Ted, „Guiding Light“ erinnert mich an die ersten beiden Alben!

Ted: Oh, wirklich?

MusikBlog: Ich finde schon. Siehst du das anders?

Ted: Ich weiß nicht! Das ist cool. Wenn du die Musik selbst gemacht hast, ist es wahnsinnig schwierig, das objektiv zu beurteilen. Es hat sich auf jeden Fall sehr anders angefühlt, sehr neu und aufregend. Gerade, was das Instrumentale angeht, war es sehr befreiend, es gab diesmal keine Instrumente vor denen wir Angst hatten, egal ob verschiedene Keyboard-Sounds oder gezupfte Instrumente.

Für uns war dieses Mal alles möglich und das hat sich schon anders angefühlt. Aber es ist interessant und das ist ein Teil der Spannung und Vorfreude, die man spürt: Was sagen andere, wenn sie hören, was du gemacht hast. Es freut mich eigentlich, dass du an die ersten Alben gedacht hast. So lange es nach Mumford & Sons klingt, ist es ok.

MusikBlog: Aber diejenigen, die auf ein Folk-Album wie „Babel“ gehofft haben, werden wieder enttäuscht sein?

Ted: Es gibt schon ein, zwei sehr akustische Songs auf dem Album, die den ein oder anderen an „Babel“ erinnern werden. Aber es sind schon auch Sachen darauf, die Neuland und klanglich eine absolut neue Erfahrung für uns sind. Das hat eben damit zu tun, dass wir für alles offen waren und versucht haben, eine große Bandbreite von Sounds einzubauen und abzudecken. Dieses viele, gemeinschaftliche Ausprobieren und letztlich eklektische Auswählen war für die Band aber schon immer sehr wichtig.

MusikBlog: Ich dachte immer, ihr wärt eine Band, die ihren Sound zu einem großen Teil dadurch kreiert hat, dass sie sich selbst in irgendeiner Form beschränkt? Ihr habt immerhin für zwei Alben fast komplett auf einen Drummer verzichtet und beim dritten quasi alles, für das ihr bekannt wart, über den Haufen geworfen. Was du jetzt erzählst, klingt eher anders…

Ted: Ja, das stimmt auch. Ich glaube auf den ersten Alben haben wir diese Selbstbeschränkung wirklich genossen. Wenn du anfängst mit einer Band, kannst du eben in 1.000 Richtungen gehen. Kein Schlagzeug zu verwenden, war sehr wichtig für uns, um unseren eigenen Weg zu finden. Wir haben das zweimal gemacht, das hat großartig funktioniert und wahnsinnig viel Kreativität freigesetzt, aber dann hatten wir es einfach ausgekostet.

Ich glaube, wenn du ein Album machst, gibt es immer Beschränkungen irgendeiner Art, aber dieses Mal ging es dabei nicht so sehr um die Instrumentierung. Wir haben eher versucht, uns unter Druck zu setzen, was die Qualität des Songwritings angeht und unsere Erfahrung entscheiden zu lassen, wann ein Song am besten klingt.

MusikBlog: Wie arbeitet man denn konkret an besserem Songwriting?

Ted: Wir haben dieses Mal einfach mehr Musik geschrieben als wir jemals für ein Album geschrieben haben, bestimmt 60 bis 70 Songs. Das war wirklich eine einzigartige Erfahrung, mit so vielen Songs ins Studio zu gehen.

MusikBlog: Wenn ihr instrumentalistisch so offen wart, heißt das im Umkehrschluss, dass das Album stilistisch auch davon beeinflusst ist, auf welche Instrumente ihr Lust hattet? Ich weiß, ihr seid begeisterte Instrumentalisten und habt in der Vergangenheit ja auch gerne mal zwischen elektrischen und akustischen Instrumenten gewechselt.

Ted: Schwierig, eine interessante Frage. Ich glaube, dass wir alle vier eine ganz besondere Beziehung zu unseren Instrumenten haben und dass wir uns mit der Zeit auch in immer mehr Instrumente verliebt haben. Ich persönlich mochte immer akustische Instrumente am liebsten, weil ich das Gefühl dieser natürlichen und organischen Vibrationen liebe.

Der Kontrabass ist für mich das Tollste überhaupt und meine Beziehung zu ihm ist fast wie die zu einem Menschen. Aber als wir geschrieben haben, haben wir eben immer darüber geredet, was dem Song dient, was der Song braucht, um der beste zu sein, der er sein kann und so haben wir unsere Instrumente dann auch ausgewählt.

MusikBlog: Und persönliche Vorlieben blieben dann auf der Strecke?

Ted: Ja, aber, wenn wir schreiben, ist das schon ein ziemlich gemeinschaftlicher Prozess. Jeder kann sich einbringen und oft haben wir drei oder sogar zehn Versionen von einem Song aufgenommen, bevor er dann auf dem Album gelandet ist. Also eine Rock-Version, eine akustische, eine elektronische.

Wir haben viele Dinge ausprobiert und irgendwann gab’s dann immer diesen Moment, in dem wir uns einig waren, dass der Song so lebt, wie er jetzt ist. Erst dann haben wir aufgehört und versucht, das Ganze festzuhalten.

MusikBlog: Die Reaktionen auf euer letztes Album waren ja durchaus gemischt und ihr musstet viel Kritik einstecken. Spielt das eine Rolle, wenn man am Nachfolger arbeitet?

Ted: Nein, nicht wirklich. Der Wunsch, neue Sachen zu entdecken und der Wunsch, rauszugehen und Shows zu spielen, macht das Herz einer Band aus. Das hat wenig damit zu tun, Platten zu verkaufen oder den Leuten genau das zu geben, was sie hören wollen. Das hat uns nie interessiert und als das damals passiert ist, hat es uns nicht berührt, weil wir unterwegs waren und Shows gespielt haben und die waren großartig. Verkaufs- und Streaming-Zahlen sind viel zu abstrakt.

MusikBlog: Hat es vielleicht sogar etwas Gutes, wenn eine Platte kommerziell nicht ganz so erfolgreich wie beispielsweise „Babel“ ist? „I Will Wait“ habe ich hier in Deutschland auch schon in einem Bierzelt (Die im Originalgespräch nötige Umschreibung des Begriffs Bierzelt ist hier ausgespart) gehört.

Ted: Das ist schon ein bisschen verrückt, aber auch interessant. Aber, ich glaube, die Hauptmotivation beim Musikmachen war für uns immer, die Leute zusammenzubringen und auch zum Mitsingen zu bewegen. Das spiegelt sich in den Harmonien und in den Refrains, die wir schreiben, wider und wenn das funktioniert, haben wir doch erreicht, was wir wollten. In diesem Fall ist das zwar vielleicht seltsam, aber auch großartig.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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