Viel ist in Chemnitz seit dem letzten Kosmonaut-Festival passiert. So viel, dass der Schatten der Erinnerung an die Ereignisse des vergangenen Spätsommers noch über dem Stausee Oberrabenstein zu liegen schien.
Wie die #Kosmos-Veranstalter am Vorabend in der Stadt, hatte auch die Kraftklub-Crew und ihre vielen Helfer wieder alles getan, um ihr friedliches, tolerantes Festival in perfekter Location mit einem hochwertigen Programm zu füllen und Karl-Marx-Stadt weltoffener zu präsentieren, als es ihr Frontmann in der gerade veröffentlichten Kummer-Nummer besingt.
Für das Line-Up gaben sich Kosmonaut-Wiederholungstäter und Acts der Stunde die Klinke in die Hand, wummerten „Beim Siggi“ DJ-Sets auf die Ohren und wurde alles traditionell mit Flunkyball, Bier-Yoga und legendärer„Herzblatt“-Kuppelei abgerundet.
So läuteten auf Haupt-und Atomino-Bühne u.a. die kratzbürstige Alli Neumann, Nura, als SXTN mit ihrer Partnerin Juju an dieser Stelle dereinst noch Traummotiv adoleszenter Selfie-Jäger, die hibbeligen Leoniden, die Indie-Institution Die Nerven oder Tua von Die Orsons das Wochenende ein.
Später wusste der singende Flummy Bosse mit großem Orchester und bodenständigen Geschichten eine musikalische Brücke zwischen allen auf dem Gelände vertretenen Generationen zu schlagen.
Mehr als beeindruckend: Shame aus London und Hope. Erstere mit der Atttüde des späten Manchester-Sounds der Mittachtziger und dem stage-divenden Charlie Steen fündig auf der Suche nach den Wurzeln des Punk, empfahlen sich die Berliner Hope auf der Kosmo-Wash Stage mit hypnotischem Elektro-Post-Rock nachhaltig für höhere Aufgaben.
Rituell stieg die Spannung in Erwartung des Geheimen Headliners, im Wettbüro wurde auf mehr oder weniger übliche Verdächtige getippt. Wie immer waren nun die meisten Gäste im Innenraum versammelt, wie immer kurz vorher die Danksagung der Kraftklubberer an das Publikum und die Anmoderation von Felix für einen Act, der bereits seit sieben Jahren für diese Funktion ganz oben auf der Wunschliste der Band stand.
„Wer jetzt nicht tanzt, hat die Pop-Musik nicht verstanden“ sprach er, der Vorhang fiel und es erschienen: Scooter! Zu den so einfachen wie wirkungsvollen Ballermann-Hymnen von H.P.Baxxter und Kollegen wurde das ausgiebig getan. Wer wollte zappelte später zu den Beats von Kid Simius und weiterer Hochkaräter bis tief in die Morgenstunden weiter.
Wer lange feiert, darf den zweiten Festival-Tag etwas ruhiger angehen lassen, da im Gegensatz zur Auswahl bei Alfons Zitterbackes Raumflieger-Training, heutzutage deutlich mehr Reanimierendes in Tuben und Büchsen verfügbar ist, und sich die Party-Crowd gegebenenfalls mit einem Bad im Stausee wieder in Form bringen konnte, waren die meisten pünktlich zu Anpfiff auf den Stages wieder fit.
Die Programmpunkte des Tages waren so differenziert wie deren Urheber, sorgten Giant Rooks mit kunstvoll-geschichteten Arrangements für ausgefeiltes Hörvergnügen, lieferte Ankathie Koi einen frivol-skurrilen Auftritt, verwandelte die Hamburger Urban-Country-Sensation Swutscher die Bühne in einen Saloon oder verkündeten Fil Bo Riva beschwingt viel Herzergreifendes.
Die Parcels knüpften nahtlos an ihren treibenden Gig aus dem Jahr 2017 an, holten die Australier zwischen Funk und Soul mit Outfit und Sound die Siebziger zurück, sangen die hippen Von Wegen Lisbeth, zuletzt unter sweetlilly93@hotmail.com zu erreichen, lakonisch über Sushi und Westkreuz, bevor die Altvorderen K.I.Z die Hauptbühne ein letztes Mal wackeln ließen -„Wenn nicht mit Rap, dann mit der Pumpgun“!
Als viel später die Musik auf den Gelände verstummte, lief schon der Countdown für das 2020er Kosmonaut. Und das ist gut so.