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Grimes – Miss Anthropocene

Götterdämmerung. Am Freitag steigt „Miss Anthropocene“, eine neue Vertreterin der Unsterblichen, auf die Erde hinab.

Die Göttin des Klimawandels, eine von Grimes ersonnene, aus Elfenbein und Öl bestehende, „psychedelische, weltraumbewohnende Dämonin“, möchte dem Ende der Welt beiwohnen.

So jedenfalls die Ankündigung von Grimes, bürgerlich Claire Boucher, die dafür den Soundtrack liefert.

Vor Ankunft der Dame ließ die kanadische Multitaskerin, begleitet von einer Social-Media-Welle (in der sie in jüngster Vergangenheit weniger im „Birds Of Prey“- Look, dafür mit Babybauch auftauchte), Vorab-Single-Boten von Gewaltigen künden.

Ihr Label 4AD ließ sich jedenfalls viel Zeit für die Fertigstellung der zehn Kapitel umfassenden Vertonung des Untergangs, zu viel Zeit für die Ex-Partnerin von Elon Musk, die sich zukünftig andere Vertriebswege suchen wird und deren Platz Claire mittlerweile einnimmt.

Dem Narrativ künstlichen Intelligenz verfallen, wabert (sich vorteilhaft vom Vorgänger „Art Angels“ unterscheidend) das von Google NSynth errechnete „So Heavy I Fell Through The Earth“ mit Wagnerscher Umfänglichkeit durch die Eingangssequenzen und bedient düstere Gothic- und Manga-Fantasien.

„Darkseid“ folgt diesem Pfad, verliert sich darin in steriler, Fever-Ray-affiner, Rhythmisierung, eskaliert eine gepitchte Stimme unter der Beschreibung des Kommenden, leuchten Erinnerungen an EMAs „The Future`s Void“ und Billie Eilish Songs die Tiefe des Raumes aus.

Bis hierhin bleibt „Miss Anthropocene“, bei aller Bedeutungsschwere, musikalisch übersichtlich. Den, bis dahin latent morbiden und technoiden, Duktus sprengt „Delete Forever“, wo zu organischen Tönen einer 90er Gallagher–Gedächtnis-Gitarre eine weiteren Plage der Gegenwart angeklagt wird:

Der Track steht für alle Opioid-Toten in den USA, auf deren langer Liste auch prominente Opfer wie Juice WRLD auftauchen.

Der Tempo-Boost von „4ÆM“, die Nu-Metal-Wave-Ambitionen von „My Name Is Dark“ und der drückende Bass von „You`ll Miss Me When I`m Not Around“, als kürzestes Stück mit sehr nachhaltigen Eindruck, machen aus dem Konzeptalbum einen Genre-Rundumschlag.

Ähnlich dem Schluss von John Hillcoats Endzeit-Epos „The Road“ nährt der Vogelgesang von „IDORU“ Hoffnung zum Ausklang einer dystopischen Warnung der “New Gods”, in der Grimes einmal mehr ihre künstlerische Wandlungsfähigkeit demonstriert.

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