Unermüdlich zieht Mark Lanegan seine Furche durch den harten Acker des Lebens und präsentiert kein halbes Jahr nach dem letzten Longplayer bereits einen Nachfolger.

„Ich habe den Eindruck, die ganze Welt ist momentan ein seltsamer, unsicherer Ort“ sprach er im vergangenen Herbst zur Inspiration für von „Somebody`s Knocking“.

Obwohl die Entwicklungen der letzten Monate nicht gemeint sein konnten, dürften diese seine Einschätzung nicht nur bestätigen, sondern könnten für den nie auf der Sonnenseite des Lebens Sesshaften zukünftig ein eigenes Album wert sein.

Die akustische Verarbeitung der Weltkrise muss noch warten. Treibende Kraft für das Entstehen von „Straight Songs Of Sorrow“ ist die Veröffentlichung seiner literarischen Retrospektive „Sing Backwards And Weep”, einem Blick auf meist weniger erbauliche Schlüsselerlebnisse seiner Seattle-Jahre, die hier auf 15 Tracks abgebildet werden.

„Is it my fate to be the last one standin‘? fragte er im Gänsehaut-Timbre im epischen Vorab-Stück „Skeleton Key“. Ob Schicksal oder nicht: die Erinnerungen an die Zeit in der Grunge-Metropole sind in ihm so dauerhaft verankert wie die Sterne auf seinen Fingern und „I Nearly Lost You“ – Titel des Screaming Trees Klassikers – hätte fast für sein Leben gegolten.

Alkohol, Drogen, Obdachlosigkeit, Knast: Die Zeit voller Exzess, Verlust, Schmerz und Isolation, von der er bereits in so vielen Songs authentisch und dystop berichtete, liegt hinter ihm. Für die aktuelle Aufarbeitung hat sich der Rastlose viele geistesverwandte Hochkaräter, etwa Simon Bonney und Ed Harcourt, ins Studio eingeladen.

Die Songs mäandern im lanegan-typischen Duktus über das Album, klagen an, flehen, hoffen, werden von satten Alternative-Americana-Blues begleitet, wird reduzierter Akustik-Country gleichsam der elektronischen Komponenten, die auf den letzten Veröffentlichungen zunehmend an Einfluss gewannen, in die Arrangements eingepreist.

Letztere dominiert den fiebrigen Opener „I Wouldn’t Want To Say“, ob das dem Dream-Pop nahestehende „This Game Of Love“, die Mellotron-Orgie von „Ballad Of A Dying Rover“ oder Warren Ellis‚ weinende Violine in „At Zero Below“ – der 55-jährige schüttelt erneut eindrucksvoll Staub aus dem Lebensmantel.

„Love me, why would you ever love me? flüstert Mark Lanegan auf „Straight Songs Of Sorrow“. „Wegen des Menschen, seiner Musik und seiner Ehrlichkeit“, möchte man ihm auf diese Frage antworten.

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