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Sufjan Stevens – The Ascension

„I have loved you / I have grieved / I’m ashamed to admit I no longer believe (…) Don’t do to me what you did to America”, proklamiert Sufjan Stevens in der zwölfminütigen Vorab-Single „America“ und gibt damit den perfekten Vorgeschmack auf „The Ascension“.

Denn für das achte Studioalbum des Multiinstrumentalisten braucht man eine gehörige Portion Geduld und sollte dafür gewappnet sein, dass Wünsche und Erwartungen im Staub der eigenen Banalität zermalmt werden.

Denn wer auf einen Nachfolger von „Carrie And Lowell“ – vermutlich das großartigste Singer/Songwriter-Album der Gegenwart – hoffte, den trifft vielleicht noch nicht der Yorke’sche Beat nach den ersten 15 Sekunden des Openers „Make Me An Offer I Cannot Refuse“ wie einen Schlag ins Gesicht.

Aber spätestens dann die eskalierenden Sound-Experimente, bei denen sich der Song nach drei Minuten in eine wilde Achterbahn aus Alarmen mit direktem Weg Richtung Panik verwandelt. Alle angeschnallt?

Aber was hätte Sufjan Stevens auch sonst auf dem Zenit des Singer/Songwritertums tun sollen, außer alle Sinne auf Angriff schärfen? Auf „The Ascension“ geht es nicht mehr um ihn und das schmerzhafte Verarbeiten eigener Trauerfälle, die in wunderschönen Folk-Songs gipfeln und unser aller Leid erträglicher machen: Mehr denn je sind unsere Probleme nicht mehr persönlich, sondern universell.

Mit dem eingängigen „Video Game“ – ohne „s“, denn das hier hat so gar nichts mit Lana Del Rey zu tun – rechnet Sufjan Stevens mit der Unaufrichtigkeit der sozialen Medien ab und lässt gleichzeitig im dazugehörigen Video TikTok-Star Jalaiah Harmon tanzen. Einen solchen Spagat schafft eben nur Sufjan Stevens.

In Teilen wirkt „The Ascension“ wie Filmmusik – nur eben ohne Film beziehungsweise dem eigenen Kopfkino. Zu Titeln wie „Tell Me You Love Me“ versinkt man in einer alles umfassenden Tiefe aus wabernden Klangflächen, Stevens’ einlullender Stimme und fühlt zu Zeilen wie „My love / I lost my faith in everything“ mit jeder Faser des Körpers, wie schier unlösbare Krisen wie Corona, Klimawandel und Rassismus einem die Haube der Verzweiflung auf den zu großen Kopf zwängen. Wenn man sich denn darauf einlässt.

Mit „Goodbye To That“ rettet Stevens einen mit Glöckchen und choralen Harmonien dann aber doch noch aus dem Sumpf der Dunkelheit und liefert ein Plädoyer, die traurige Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen und stattdessen den Blick nach vorne zu richten.

Eine Botschaft, die wir gerade alle gut gebrauchen können.

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