Es regnet. Und regnet. Und regnet. Der Herbst ist da, und schon unter normalen Umständen sorgt das bei den meisten Menschen für einen kleinen Anflug von Depression. Corona fungiert dieses Jahr als zusätzlicher Multiplikator des Herbsthasses.
Aber hey – Matt Berninger veröffentlicht ein Solo-Album. Das lässt einen Sieben-Tage-Regenwetter sogar nicht nur ertragen, sondern nahezu herbeisehnen.
Man will es kaum glauben, aber „Serpentine Prison“ ist das erste Solo-Album des umtriebigen The-National-Frontmanns, der abseits seiner Band zuletzt mit Phoebe Bridgers einen Song zum Soundtrack von „Between Two Ferns: The Movie“ beisteuerte und in seiner Vergangenheit darüber hinaus zusammen mit Brent Knopf als EL VY seiner Affinität zum Funk freien Lauf ließ.
Mit „Serpentine Prison“ besinnt sich Matt Berninger endlich wieder auf seine Kernkompetenz und macht genau das, womit er sich im melancholischen Indie-Rock-Himmel längst einen Platz neben Jeff Buckley oder Elliott Smith gesichert hat:
Er verpackt seinen samtenen Bariton in tieftraurige Songs über die Liebe und das Leben, stellt sich selbst wieder in den Mittelpunkt und liefert damit das, was vielen Fans auf der letzten The-National-Platte „I Am Easy To Find“, bei der die Gästeliste gefühlt größer als das benutzte Instrumentarium war, gefehlt hat.
Und obwohl auch bei „Serpentine Prison“ viele Musiker mitgewirkt haben, merkt man ganz klar, dass Berninger sich auf diesem Album wieder auf sich selbst besinnt.
Natürlich bringt das eine gewisse Introvertiertheit und Verletzlichkeit mit sich, die man den einzelnen Songs anhört. Aber sind wir ehrlich – genau das will man doch von dem rotweinlastigsten Frontmann der Gegenwart.
Man macht sich also am besten gleich selbst einen schweren Rotwein auf, wickelt sich in die Lieblingsdecke ein und lässt die Welt um sich herum für zehn Songs innehalten.
Der Opener „My Eyes Are T-Shirts” gibt einen perfekten Vorgeschmack auf „Serpentine Prison“: Das Schlagzeug mehr leichter Herzschlag als Beat, ein verhuschter Schellenkranz hier und Berninger, der mit seiner Stimme mehr Gefühl transportiert als Bilder von Hundewelpen.
Die Grundzutaten auf „Serpentine Prison“ sind genau diese. Manche Songs, wie beispielsweise „One More Second“ überzeugen mit angetäuschter Poppigkeit, während Titel wie „Silver Springs“ mit feinsinnigster Instrumentierung begeistern; ein kurzer Bläsereinwurf hier, eine kurze Mundharmonika-Phrase da.
Kleinigkeiten, die den Unterschied machen. So schafft Berninger es auf „Serpentine Prison“, jedem der Songs seinen ganz besonderen Charme zu verleihen. Herbst – bring it on!