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Pinegrove – 11:11

Morgens, 11:11 Uhr in Seattle: Pinegrove streifen mit dem gesamten Arsenal an Folk-Instrumenten durch den Wald und lassen die Seele baumeln. Diesen Entstehungsmythos lässt zumindest der Sound des fünften Albums der Band vermuten, der mit verträumten Arrangements und ausschweifenden Songstrukturen zum gemeinsamen Abschalten einlädt.

Eigentlich flickte die Indie-Band die 11 Stücke des neuen Albums in den Levon Helm Studios in Woodstock und The Building in Marlboro zusammen. Dafür gibt es mit Frontmann Evan Halls Vater Doug Hall aber einen Special Guest, der mit seiner Klavierbegleitung in vielen Stücken das Melancholie-Barometer nach oben treibt.

Natürlich ist die Platte dabei ein Kind seiner Zeit und nimmt gar direkten Bezug auf die einsame Isolation der ewigen Lockdowns. “Respirate” etwa endet trotz viel Frustration und Angst mit einer positiven Aussage: “But I care now / Not gonna let you down”.

Passend dazu breitet der ruhige Track seine Arme für die Hörer*innen aus. Ein wohliges Gefühl macht sich breit. Im Zentrum dieser Wohlfühlatmosphäre: Harmonie! Und zwar auch im musikalischen Sinne:

Wie schon auf früheren Werken flechtet das Quintett mit Leidenschaft Gesangsschichten ineinander, vor allem die Refrains sind meist ein Gemeinschaftswerk von Hall und seinen Mitstreiter*innen. Damit teilen sich Pinegrove die Reflexionen über das eigene Leben – von den Emotionen bis zum großen Ganzen.

Denn passend zu den vielen Natur-Metaphern und dem organischen Klang der Platte ist auch der Klimawandel ein zentraler Dreh- und Angelpunkt der elf Stücke. Das für “11:11”-Verhältnisse flotte “Alaska” etwa zeichnet die vielen Veränderungen unserer Natur in einer Reise über die USA in einem Flugzeug nach.

“Flora” macht seinem Namen alle Ehre und widmet sich der Pflanzenwelt, in “Swimming” vertonen die US-Amerikaner ihre Sehnsucht, Teil der Natur selbst zu werden.

Nur selten lassen Pinegrove ihre Stücke laut werden, einzig der große Opener “Habitat” und “Cyclone” wagen sich an den drückenden Klimax. Vornehmlich überlassen die Musiker*innen die Stücke sich selbst, lassen sie instrumental aus den Fingern gleiten. Ein weiterer Faktor, der der meditativen Wirkung des Albums entgegenkommt.

Dass Ex-Death-Cab-For-Cutie-Mitglied Chris Walla das Mixing der Platte übernommen hat und dabei einen weniger glatten Sound als auf dem Vorgänger “Marigold” anstrebte, hört man “11:11” ebenfalls an.

Bei diesem ausgiebigen Spaziergang gibt es eben keinen Platz für Feinschliff, dafür aber für eine tiefe Auseinandersetzung mit sich selbst.

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