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Hurray For The Riff Raff – Life On Earth

Was kulturelle und künstlerische Dekonstruktion angeht, ist Alynda Segarra, führender kreativer Kopf und Gründerin des Kollektivs Hurray For The Riff Raff, mittlerweile eine absolute Koryphäe.

War die in der Bronx, New York aufgewachsene Musikerin seit der Genese der Band überzeugte Folk-Sängerin, die country-eske Americana-Sounds zelebrierte und damit den US-amerikanischen Geist in ihre Werke atmete, hinterfragte Segarra ihre eigene Position zunehmend, sowohl in der musikalischen wie auch in der materiellen Welt.

Besonders deutlich läutete diesen Wandel das 2017er Album “The Navigator” ein: Mit dem Konzeptalbum verarbeitet die Künstlerin den Zwiespalt zwischen dem Traditions-Fokus ihrer puerto-ricanischen Wurzeln und dem Drang, eine eigene Stimme im Hier und Jetzt zu finden.

Eben dieser Zwiespalt findet sich auch in den Songs selbst wieder, die die Folk-, Country- und Blues-Sphären mit rhythmischen Latin-Einschüben und Weltmusik-Hang durchbrechen und damit einen “Melting Pot” aus verschiedensten Traditionen bilden. Aus der Auseinandersetzung zweier Einflüsse entsteht etwas Neues, Frisches, Progressives.

Weitere neue Wege geht “Life On Earth”, dessen Fulminanz sich bereits mit dem Albumtitel ankündigt: Mit dem selbst erklärten “Nature-Punk” bespricht Segarra das Leben selbst – genauer gesagt das Überleben.

Nach dem Persönlichen, Intimen geht es nun also in die Welt hinaus, hin zum Rand des Horizont, um diesen zu erweitern. Die Songs drehen sich um Hoffnung in einer Welt, die es einem damit nicht wirklich leicht macht.

Die Ausgangssituation ist daher eine pessimistische für “Life On Earth”, Segarra hinterfragt und zweifelt anfangs, dass bessere Tage kommen. Nur nach und nach wird aus dem Zweifel Trotz, aus dem Trotz Standthaftigkeit und schließlich Hoffnung.

Solch existentialistische Handlungsstränge lassen sich dabei weder mit dem (mit ein wenig zeitlichem Abstand) zuweilen albern wirkenden Country-Folk, noch mit dem doch eher experimentellen Introvert-Singer/Songwriter-Sound des Vorgängeralbums untermalen – etwas Neues musste her.

Und etwas Neues kam: So groß setzten Hurray For The Riff Raff ihren Sound bisher noch nicht auf. Akustikgitarren und Klaviere sind nicht mehr die einzigen tragenden Säulen: Hinzu kommen Synthesizer und elektronische Beats, die allerdings nichts mit Elektro zu tun haben, sondern weiterhin organische Klänge bilden.

Die resultieren in dramatischem Indie-Pop, der sich vom Pathos einer Florence + The Machine und der ebenfalls relativ frischen Pop-Ernsthaftigkeit von Sharon Van Etten – siehe “Remind Me Tomorrow” (2019) – inspirieren ließ.

Obwohl sich das Klangbild für Hurray For The Riff Raff so radikal ändert, bewegt sich Segarra darin so souverän, als hätte ihre Band nie anders geklungen. Ein Stück weit ist das auch nötig, denn ohne die Selbstsicherheit in ihrem neuen Zuhause würde man ihr das Hoffnungsvolle der Songs nicht so leichtfertig abnehmen.

Mit ihrem achten Album hat sich die Musikerin von einer sowieso schon eindrucksvollen Diskografie in ganz neue künstlerische Sphären katapultiert. Man sieht sich dann in diversen Jahresbestenlisten wieder.

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