Hinter dem Namen Sunflower Bean verstecken sich drei Verwandlungskünstler*innen aus New York. Mit jedem neuen Album entsteht der Eindruck, es wäre eher ein komplett neues Projekt mit neuem Fokus statt einer einfachen Nachfolgeplatte.
Angefangen beim 2016er Debütalbum „Human Ceremony„, das die Luft des 2010er Indie atmet: Verhallter Dream-Pop, ein wenig Bubblegum-Rock und Post-Punk machen hier ein gemeinsames Ding, hin und wieder grätscht etwas unerwarteter Fuzz rein. Chaotisch, sympathisch und überaus lässig.
Lässig geht es auch auf dem Nachfolger „Twentytwo In Blue“ von 2018 weiter, allerdings unter einem völlig anderen Stern: Sunflower Bean entdecken hier entspannten Classic Rock für sich, schauen manchmal zu Fleetwod Mac, mal zu Creedence Clearwater Revival und vielleicht auch mal zu ihren Zeitgenossen Sheer Mag herüber.
Dafür gab es oft Kritik: Besonders harte Urteile sprachen vom Zusammenklauen und Kopieren ihrer Idole, gar von Trittbrettfahrerei ohne Mehrwert war die Rede. Direkt vorweg: Wer die Vergangenheit der Band bisher so sah, wird mit dem dritten Album „Headful Of Sugar“ wahrscheinlich nicht umgestimmt werden.
Denn, wenn es im Jahre 2022 noch so etwas wie einen Indie-Spirit gibt, reproduzieren Sunflower Bean dessen Essenz mit den 11 Songs auf liebevolle und aufwändige Art – ohne jedoch zum Selbstzweck zu werden.
Gitarren finden irgendwie im Hintergrund statt, „Headful Of Sugar“ sieht sich allerdings nicht als reines Gitarren-Album. Vielmehr sind es poppige, elektronische und zuweilen experimentelle Soundelemente, die schummerig und auch knisternd frisch erscheinen.
Hier klingen die frühen 2000er mit Gorillaz-ähnlichen Ausflügen in Trip-Hop und tanzbaren Beats durch, aber genauso eindeutig ist postmoderner, alternativer Lo-Fi-Pop-Zeitgeist. Ebenfalls geht es in Richtung New Wave und Madonna-Pop der 90er, allerdings schwingt auch ohne viele Gitarren die Garage auf, die momentan durch frische Acts wie Wet Leg und Courtney Barnett hochgehalten werden.
Das alles vereinen Sunflower Bean mit einer so sonnigen Leichtigkeit, dass es gar nicht anders möglich ist als die Ohrwürmer bereitwillig aufzusaugen. Das Trio hat sich mit seiner dritten Platte nicht nur ein weiteres Mal neu erfunden, sondern auch sein Songwriting-Profil geschärft, um nun mit groovigeren Songs, weniger Längen über die Albumspielzeit und mehr Freude in den Melodien aufzuwarten.
Thematisch beißt sich die Leichtigkeit der Form wie früher schon mit der Schwere des Inhalts. Ging es auf den früheren Platten um die Niedertracht der Adoleszenz, singen Julia Cumming und Nick Kivlen nun über die Schlechtigkeit des Erwachsenseins.
Es geht um dystopischen Spätkapitalismus und die Spaltung der Gesellschaft, was die beiden mal mit trockenem, mal mit schwarzem Humor kommentieren. Existenz bedeutet Schmerz, aber was bleibt sonst übrig als darüber zu lachen?
„Headful Of Sugar“ ist schon das dritte Album, allerdings fühlt es sich an, als würde es jetzt erst richtig losgehen. Und vielleicht ist genau das auch der Plan: Mit jeder Metamorphose eines neuen Albums einen Neuanfang frei zu haben. Der dritte ist jedenfalls geglückt.