Es ist mittlerweile oft zum thematischen Klischee geworden, aber die Suche nach dem eigenen Platz im Universum ist seit Jahrtausenden ein omnipräsentes Narrativ in der Menschheitsgeschichte. Sei es nun Homers Odyssee, Sturm und Drang im ausgehenden 18. Jahrhundert oder der Coming-Of-Age-Boom um die Jahrtausendwende:
Wir alle sind oder waren mal jung, wir sind auf der Suche nach Sinn, Heimat oder einfach nach uns selbst und am Ende haben wir immer wichtige Dinge über das Leben gelernt.
Wer es also wagen sollte, Julia Jacklin dafür zu kritisieren, dass ihr drittes Album „Pre Pleasure“ ein weiteres Werk über Sehnsucht, Wünsche und Selbstverwirklichung ist, der solle stattdessen lieber schweigen und zuhören, wie die Australierin mit einer immer komplexer erscheinenden Welt fertig wird.
War das 2016er Debütalbum „Don’t Let The Kids Win“ noch das stete Entwachsen der jugendlichen Naivität, ist der Nachfolger „Crushing“ von 2019 der Wunsch, sich nicht von Anderen abhängig machen zu müssen.
Der dritte Act ist nun der Fokus auf das eigene Selbst: Die Musikerin aus Melbourne schaut sich um und erkennt, dass sie sich nicht mehr in Abhängigkeit zu anderen Menschen definieren möchte, sondern für sich selbst stehen will.
Das sorgt dafür, dass Jacklin stellenweise so authentisch positiv wie nie zuvor klingt, jedoch auch das gesunde Maß an Realismus nicht aus den Augen verliert.
Die Kontrolle zu gewinnen und dann auch noch zu behalten, ist ein Kraftakt, den die Musikerin etwa in „I Was Neon“ anerkennt: „Am I going to lose my self again? I quite like the person that I am“, wiederholt sie immer wieder in dem nüchtern und sanft rockenden Garage-Pop-Track.
Typisch für Jacklin, handelt es sich dabei um einen der eher rar gesäten Rock-Momente. Songs wie etwa auch „Be Careful With Yourself“ sind dabei allerdings, auch wieder typisch für die Sängerin, ein angenehmer Einschub in der Albumdynamik.
Dazwischen ist es immer noch der folkige, erdige Indie-Pop, der zwar immer gitarrenlastig, aber nach wie vor äußerst filigran und wohl temperiert mäandert. Schnell wird es auf „Pre Pleasure“ nie wirklich – zum Glück, denn Jacklins Gedanken machen sich im schwebenden Tempo einfach besser.
Eine gewisse Evolution im Sound ist dabei dennoch nicht von der Hand zu weisen – ob es auch an Platten der vergangenen paar Jahre von Künstlerinnen wie Sharon Van Etten oder Fiona Apple liegt oder einfach am eigenen menschlichen Wachstum.
Jacklins Songs trauen sich wie etwa im fulminanten Opener „Lydia Wears A Cross“ oder im Fleetwood-Mac-haften „Love, Try Not To Let Go“ weiter in poppigere, nüchterne und introspektive Gefilde. Hier ist die Symbiose aus großem Glücksgefühlpotenzial und auf dem Boden bleibendem Realismus besonders eindrucksvoll.
Es wird deutlich, dass die Musikerin noch immer auf Reisen ist, um sich selbst kennenzulernen – ob das Ziel jemals in Sichtweite kommt, ist dabei nie so ganz sicher.
Allerdings sind die Hoffnungsschimmer auf dem dritten Album so zahlreich wie nie zuvor in Jacklins Karriere, die ihren bisherigen Höhepunkt in „Pre Pleasure“ findet.