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Für mich sind sie ein Symbol des Überlebens – Billy Nomates im Interview

Für die britische Post-Punk-Hoffnung Tor Maries aka Billy Nomates waren die vergangenen zwei Jahre besonders hart. Nach ihrem selbstbetitelten Debüt-Erfolg und einer vielversprechenden Kollaboration mit den Burschen von Sleaford Mods stellt die Pandemie plötzlich alles auf den Kopf. Dieser Tage kann die Britin nun endlich wieder durchstarten. Mit ihrem zweiten Studioalbum “CACTI” im Gepäck meldet sich Billy Nomates zurück. Kurz vor der Veröffentlichung ihres neuen Longplayers trafen wir uns mit der Solo-Künstlerin zum Interview und sprachen über stachelige Überlebenskünstler, einflussreiche Zuarbeiten und die Musik als Heilmittel.

MusikBlog: Tor, dein zweites Studioalbum trägt den Titel “CACTI”. Was ist so besonders an Kakteen?

Billy Nomates: Oh, Kakteen sind in der Tat sehr besonders. Für mich sind sie ein Symbol des Überlebens. Die letzten beiden Jahre waren für uns alle sehr hart und sehr schwierig. Wenn ich mir meine Situation vor Augen führe, dann sind da viele Erinnerungen, in denen es genau um das ging: ums Überleben. Ich hatte mein erstes Album am Start und plötzlich waren alle Türen zu. Das war schon ziemlich frustrierend. Was dann folgte, war ein reiner Überlebenskampf.

MusikBlog: Es gibt auch einen Song auf dem Album, der denselben Titel trägt.

Billy Nomates: Ja, aber der Titel für das Album war zuerst da. Ich wusste schon wie die Platte heißt, bevor der erste Ton eingespielt wurde.

MusikBlog: Der erste Ton ist ein gutes Stichwort. Im Vergleich zum Vorgänger gibt es auf “CACTI” einige spannende Richtungswechsel. Der Sound ist alles anderes als festgelegt. War das dein Plan?

Billy Nomates: Ich wurde nach dem ersten Album von vielen Leuten in die Punk-Schublade gesteckt. Ich selbst sehe mich aber gar nicht so sehr einem bestimmten Genre zugewandt. Das wollte ich diesmal auch zeigen. Im Grunde bin ich einfach nur eine Songwriterin, die ihre Lieder schreibt und dafür verschiedene Sounds und verschiedene Emotionen verwendet. Ich wusste, dass ich auch anders klingen kann. Aber man muss es den Leuten natürlich auch zeigen.

MusikBlog:  Was oder wer hat dich auf diesem Weg inspirationstechnisch begleitet?

Billy Nomates: Um ganz ehrlich zu sein: In England gibt es einen Radiosender namens “Absolute Eighties”. Wenn ich Musik gehört habe, dann eigentlich immer nur diesen Sender. Ich liebe die Achtziger, und dort werden nur die ganzen Hits aus dieser Zeit gespielt – von morgens bis abends. Ich meine, wenn man irgendwann mal einen Hit landen will, dann muss man von den Großen lernen und sich an die halten, die es schon einmal geschafft haben, oder? (lacht)

MusikBlog: Welcher Alltime-Hit steht bei dir persönlich ganz weit oben?

Billy Nomates: Puh, das ist wirklich schwer zu beantworten. Das gibt es unheimlich viele tolle Songs. Aber wenn ich eine Band herauspicken müsste, die mich schon immer fasziniert hat, dann sind es wohl die Simple Minds. Diese Band bringt für mich einfach alles auf den Punkt. Sound, Songwriting, Tiefe, Melodien: Es gibt kaum einen Song der Band, den ich nicht feiere.

MusikBlog: Apropos coole Bands: Du hast mit Geoff Barrow von Portishead zusammengearbeitet. Wie wichtig und prägend war Geoffs Zuarbeit?

Billy Nomates:  Ich muss gestehen, dass ich die Musik von Portishead vorher nie so wirklich auf dem Schirm hatte. Das hat sich mittlerweile natürlich geändert. Geoff ist ein großartiger Songwriter und auch ein unglaublicher Produzent. Er weiß immer ganz genau was er tut. Das imponiert mir.

MusikBlog: Jason und Andrew von den Sleaford Mods spielen ebenfalls eine große Rolle, wenn es um dein musikalisches Umfeld geht.

Billy Nomates: Ja, Jason und Andrew haben mich in der Vergangenheit oft unterstützt. Wir haben ein paar Sachen zusammen gemacht, die wirklich toll waren und über die ich sehr glücklich bin. Ich bin überhaupt sehr froh, dass ich die beiden kennenlernen durfte. Sie waren es auch, die mich Geoff vorgestellt haben. Das sind wirklich tolle Jungs, mit denen ich ausschließlich positive Erinnerungen verbinde.

MusikBlog: Neben der Musik imponieren auch deine Texte. Du gehst da sehr persönlich zu Werke und scheust dich auch nicht, sehr intime und emotionale Themen, wie beispielsweise deinen Kampf gegen Depressionen auf den Tisch zu bringen. Wie schwer fällt dir diese emotionale Öffnung?

Billy Nomates: Das ist natürlich nicht immer ganz so einfach. Aber es ist einfach wichtig für mich und meine Entwicklung. Die Depressionen gehören nun mal zu mir. Ich habe gemerkt, dass mir der offene Umgang damit gut tut und mir dabei hilft, bestimmte Situationen und Erlebnisse besser zu verarbeiten. Am Ende ist es ein großer Teil innerhalb eines Heilungsprozesses, der viel Kraft benötigt. Die Depressionen kommen und gehen. Mittlerweile weiß ich aber durch die Musik und durch das Schreiben besser damit umzugehen.

MusikBlog: Wie genau hilft dir die Musik?

Billy Nomates: Sie lässt mich irgendwann wieder hoffen und sie zaubert mir im Idealfall wieder ein Lächeln ins Gesicht, wenn es sonst nichts gibt, dass mir helfen kann. Wenn ein Tag komplett den Bach runtergeht, nichts funktioniert und ich mich am liebsten irgendwo in eine dunkle Ecke verkriechen würde, dann kann eine bloße Melodie im Kopf dafür sorgen, dass irgendwo in meinem Bewusstsein wieder die Sonne aufgeht. Musik kann wirklich sehr, sehr hilfreich sein.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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