Nach zwei eindrucksvollen Solo-Alben, einem beklemmend umgesetzten Soundtrack zum Familiendrama “Let Me Go” sowie ganz generell als Drummer einer Pionierband wie Radiohead geraten die vorurteilsbehafteten Ansprüche an Philip Selways “Strange Dance” entsprechend hoch. Und er wird ihnen mehr als gerecht.
Doch so ganz allein kleckst und koloriert der Schlagzeuger auf der Leinwand seines vierten Werkes nicht. Seine Drumsticks überlässt er der italienischen Perkussionistin Valentina Magaletti, um sich selbst vollends aufs Klangmalen und Komponieren konzentrieren zu können.
Eingebettet in ein üppiges Dickicht aus Extravaganz und Opulenz singt und säuselt Philip Selway dazu melancholische Melodien, als wären sie dem 90er Jahre Trip-Hop entstiegen.
Produziert wurde “Strange Dance”, wie auch “Weatherhouse” aus 2014, von Marta Salogni. Sie arbeitete bereits mit Goldfrapp auf “Silver Eye“, mit Björk auf “Utopia” und mit Depeche Mode auf ihrem kommenden Album “Memento Mori” zusammen.
Damit gelingt Philip Selway mit “Strange Dance” ein prächtiges und cinematisches Werk, in welches man sich vollständig verlieren und gleichzeitig finden kann, stellenweise aber auch zu ertrinken droht.
Sanfte Klavierklänge tasten sich behutsam im Opener “Little Things” vor, ehe sich eine fulminante und fast übersättigte Klanglandschaft eröffnet. Solch eine bombastische Orchestrierung ruft Erinnerungen hervor an Björks “New World” oder “Home” von Depeche Mode.
Die von Laura Moody arrangierten Streicher umspannen auch “The Heart Of It All” und “Check For Signs of Life”, wobei in letzterem die industrial-anmutenden Rhythmen zusätzlich noch zahllose und eindrucksvolle Pirouetten drehen. Gemeinsam mit den majestätischen Blechbläsern entblößt sich ein kolossales Klanggebilde.
Damit das Werk nicht allzu im dramatischen Morast erstickt, sorgen Stücke wie das sanftmütige “Make It Go Away” oder der unheilvoll-kratzige Titeltrack “Strange Dance” mit seinen schleppenden Dissonanzen für Abwechslung.
“What Keeps You Awake At Night” erreicht bereits in der Mitte seinen Höhepunkt, fesselt aber weiterhin mit seinen süß-herben, experimentellen letzten zwei Minuten.
Das sphärisch-phlegmatische “Salt Air” kontrastiert mit brummenden Synths und dumpfen Sirenenklängen – und nein, damit sind nicht die Fabelwesen aus der griechischen Mythologie gemeint. All diese Kompositionen abseits des Kitsches sind es, die mit dem Cover-Artwork “Finnador” des Künstlers Stewart Geddes harmonieren.
Und zu behaupten, Radiohead hätte keinen Einfluss auf “Strange Dance”, wäre schlichtweg falsch und auch unmöglich. Nicht zuletzt erkennt man das am folkig-tänzelnden “Picking Up Pieces” mit Adrian Utley (Portishead) an der Gitarre.
Vielmehr,sinniert Philip Selway gegenüber dem Magazin “The Aquarian Weekly”, baue man mit jedem weiteren Werk auf bisherige Erfahrungen und Projekte auf, die immer in neue Ideen mit einfließen. So werde mit jedem Mal ein noch detaillierteres Bild von ihm selbst und seiner Stammband gezeichnet.