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The Lemon Twigs – Everything Harmony

Wie oft wurde schon darüber eruiert, wie sehr The Lemon Twigs doch, im positiven Sinne, aus der Zeit gefallen seien: Alte Seelen nennt man das Duo, mit den Legenden seien sie aufgewachsen und hätten die Klassiker schon mit der Muttermilch aufgenommen.

Zahlreiche handfeste Vergleiche mit Größen aus dem Soft Rock und Pop seit dem Anbeginn der Musik selbst sind da Alltag: Die Brüder Brian und Michael D’Addario sind die Postermodels für alles, was irgendwie nicht nach jetzt klingt, sondern nach Yussuf, Beach Boys und Simon & Garfunkel.

Dem aufmerksamen Ohr sollte damit auffallen, dass die New Yorker keine Trittbrettfahrer sind, sondern von den Besten gelernt haben, wenn es um vielschichtigen, radikal sanften und wunderschön theatralischen Pop geht.

Ihr viertes Album “Everything Harmony” ist das neueste Paradebeispiel dafür, wie langweilig die beiden Mittzwanziger ihre eigene Generation finden und stattdessen doch lieber etwas schaffen, das – einfach gesagt – anders und gleichzeitig völlig zeitlos ist.

Anders als noch beim 2020er Vorgänger “Songs For The General Public” beginnen die D’Addarios ihre neue Platte nicht mit dem allzu bekannten Pathos, sondern mit einer simplen Akustikgitarren-Nummer zur Erdung.

“When Winter Comes Around” ist eine zärtliche Ballade mit Simon-&-Garfunkel-Energie in Reinform, gefolgt von “In My Head”, dessen Indie-Pop mal nicht in den 70ern, sondern in den 90ern fischt und süßeste Erinnerungen an Belle And Sebastian hervorruft.

Zum Ende von “Everything Harmony” hin toben sich The Lemon Twigs in epischer Fulminanz aus, wenn die Songs vielschichtiger werden und an Melodramatik zulegen. Schicht über Schicht an Gesangsspuren sind da nur eines der zahlreichen Symptome.

Streicher und Bläser sind immer prominenter positioniert, die Songs werden herzzerreißender und fordern den Kitsch geradezu größenwahnsinnig aus. Songs wie “What Happens To A Heart” wirken wie die theatralische Höhepunkt-Nummer eines barocken Musicals.

“Everything Harmony” trägt dick auf. Muss das sein? Bei jeder anderen Band hieße die Antwort: nein. The Lemon Twigs besitzen allerdings die Fähigkeit, an songwriterischer Stärke mit wachsendem Kitsch zuzulegen.

Die punktgenauen Melodien, das Zusammenspiel von so vielen einzelnen Teilen und die überlebensgroßen Performances: The Lemon Twigs sind eine Anomalie in der derzeitigen Pop-Landschaft. Allerdings sind die D’Addario-Brüder eine, die frischen Wind in die Musikwelt bläst und als Gegengewicht zur postmodernen Hochglanz-Synthetik nötig ist.

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