Der britische Singer/Songwriter Keaton Henson versorgt seine Hörerschaft in den letzten Jahren großzügig mit neuem Material. Auf “Six Lethargies” (2019) und “Monument” (2020) folgten der Soundtrack zum Filmdrama “Supernova”, die EP “Fragments” (2021) sowie die Compilation “Keaton’s Party Playlist” (2022) mit Coverversionen von Pop-Hits der letzten Jahrzehnte.
Mit seinem neuen Album “House Party” beschreibt Keaton eine alternative Realität, in der sich der Protagonist im Laufe seiner langjährigen Karriere völlig verausgabt hat und unter der Last seiner Depressionen zusammenzubrechen droht. Das klingt herzzerreißend, aber auch eingängig und sogar heiter.
Der Einstieg ins Album gerät sommerlich und unbeschwert, doch “I’m Not There” ist mitnichten so leichtfüßig, wie es scheint. Ein Blick auf den Text offenbart die melancholische Einsicht: “I’ll say I’m fine but we both know that I’m full of shit […] I just need some time to be myself”.
Ähnlich wie der Opener prescht “Parking Lot” mit seinen treibenden Rhythmen nach vorne und gibt sich sogar inhaltlich motiviert und entschlossen. Keaton Henson ist sich sicher, er könnte es mit der ganzen Welt aufnehmen: “If we have us, then who the fuck could come and take it all away?”
Das hopsende “Hooray” bietet Grund zur Freude, denn das Leben ist am schönsten, wenn man missverstanden wird. Ein leiser, verhaltener Chor bestätigt ihn, wenn er sich selbstironisch als Betrüger bezeichnet.
Über die gesamte Laufzeit strauchelt “House Party” bewusst zwischen Frohsinn und Schwermut. Dem vertonten Hoffnungsschimmer am Horizont stehen zahlreiche trübsinnige Tracks gegenüber.
“The Mine” ist verrückt und gleichzeitig erleuchtet, will sich erklären und beeindruckt in der letzten Minute mit einem instrumentalen Ausbruch. Die lärmende Klangkulisse aus Bläsern, Streichern und Schlagzeug untermalt eindrucksvoll die Selbstzweifel und Zerrissenheit. Keaton Henson, gib uns bitte mehr davon!
“Envy” erzählt von der rastlosen Suche nach Erfüllung und (Selbst-)Verwirklichung, die oftmals in einer Sackgasse endet und liefert einen der ehrlichsten und tatsächlich inspirierenden Kalendersprüche: “Same shit, different day […] Don’t envy what you wouldn’t want for all your life”
Mit perlenden Klavierakkorden und kränklichen Bläsern sticht “Stay” heraus. Keaton Henson will nicht allein gelassen werden, kann nicht schlafen und will sein Gegenüber zum Bleiben überreden. Voller Zustimmung wippt man mit dem Kopf im Takt.
“The Meeting Place” konzentriert sich auf Keaton Hensons hauchenden Gesang und einen gedämpften Rhythmus. Ab der Hälfte nimmt der Track Fahrt auf und ein verweintes und leicht schmutziges Gitarrensolo zieht am Ende jegliche Aufmerksamkeit auf sich.
Im 6/8-Takt schunkelnd sitzt “Two Bad Teeth” im einsamen Scheinwerferlicht, während die gezupfte Gitarre und schüchternen Streicher in “Late To You” eine von Sehnsucht geprägte Zerbrechlichkeit umarmen.
Glücklicherweise befolgt er seinen eigenen Rat im letzten Titel “Hide Those Feelings” nicht. Denn er spricht aus, was sich viele denken: “I’m not done healing.” Same, Keaton, same.
Der ansonsten so (bühnen-)scheue Keaton Henson scheut sich auf “House Party” nicht, (s)ein zerschmettertes Herz aus Reue und Kummer auszubreiten. Emotionsbeladen, aber nicht triefend vor Schmalz, gelingt ihm abermals ein introspektives und einfühlsames Album.