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Casper – nur liebe, immer.

Quo vadis, Casper? Ist es mit dem Nachfolger von „Alles War Schön Und Nichts Tat Weh“ und dem einzigen Konzert im kommenden Jahr in Bielefeld, dem Ort, der maßgeblich zu seiner Sozialisation beitrug, vorbei mit dem Einblick in eine so authentische wie sensible Musikerseele?

Auch, wenn sein Küchentisch längst nicht mehr ein umgedrehter Karton sein dürfte und er auf seinem musikalischen Werdegang – vom kantigen Aufschlag „Hin Zur Sonne“ über die Genregrenzen pulverisierenden „XOXO“ und „Hinterland“, das den Blick in den Abgrund werfende „Lang Lebe Der Tod“ bis hin zur in sich stimmigen letzten Platte “Alles war schön und nichts tat weh” – reichlich Edelmetall und andere Auszeichnungen einsammelte – die Bodenhaftung hat Benjamin Griffey nie verloren.

Jenseits großmäuligen Deutsch-Rap-Geposes, auf Augenhöhe nicht nur mit den „ständig vergessenen Kids“, packt Casper Wut, Schwäche und Enttäuschung in Worte, erzählt via „echt von unten / zoé freestyle“ bis dato eins zu eins vom Leben im sozialen Brennpunkt. Themen, mit denen er ungewollt für viele Role-Model und seine Refrains zu Hymnen wurden.

Das sechste Werk “nur liebe, immer.” brauchte keinen großen Vorlauf, hatte vorab kein Konzept oder eine höhere Idee, im Studio wurde experimentiert, stand laut dem Protagonisten am Ende der Aufnahmen ein „Mixtape, das im Prozess zum Album geworden sei“.

Untypisch für ihn, aber bereits „emma“, mit dem „nur liebe, immer.“ angekündigt wurde, war mit seinem leisen Gesang ein Fingerzeig, dass sich Casper im Wandel befindet, im fünften Lebensjahrzehnt nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten sucht, dabei die Liebe, aller besungener Dringlichkeit zum Trotz, wie auf seinen bisherigen Ausgaben stets im Fokus behält.

Dem cineastischen „intro“ samt seiner sanften Blechbläser folgen Songs, die – egal, ob dabei das täglich irgendwo gelebte „falscher ort, falsche zeit“ unverhohlen mit dem Pop flirtet oder die was-wäre-gewesen-wenn-Story „immer noch nervös“ einen melancholischen Handy-Taschenlampen-Schwenker abgibt – Caspers Lebensgeschichte im rauen Herzen tragen.

Synthesizer, Sample-Loops, ein grummelnder Bass und andere bewährte Zutaten aus seiner Soundküche grooven durch komplexe Arrangements, schicken die Nummern selbst dann auf eine emotionale Berg- und Talfahrt, wenn die Tendenz zu elektronischen Beats und Cloud-Rap die Erinnerung an den Punch der Hooks vorangegangener Werke heftig werden lässt.

Er, der nicht ausschließt, Berlin zu verlassen, hinterfragt seine Rolle im Musik-Business auf „nur liebe, immer.“ offensiver denn je, viel länger, als ein „wimpernschlag“ dauert. Die Zeit danach lässt Casper offen, sicher scheint, dass sein künstlerischer Weg noch lang nicht zu Ende ist.

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