Für das hintergründige Selbstbewusstsein, mit dem Chilly Gonzales verwegen vom Cover seiner neuen Platte “Gonzo” schaut, hat er allen Grund. Der Wahl-Kölner Feuilleton- und Publikumsliebling beackert seit Jahrzehnten (sein „Solo Piano 1″ feiert in diesem Jahr 20. Geburtstag) mit kreativem Breitwandportfolio die Felder zwischen Sub- und Hochkultur.
Davon, wie sehr Gonzales dabei die Herzen zufliegen, konnte man sich im Frühjahr auf seinen Konzerten überzeugen, in denen es das Publikum im Wortsinn aus den Sitzen riss, um den Entertainer beim „Surfin The Crowd“ – Triumphmarsch über die Bestuhlung zu begleiten.
Dies war ein bereits eine Nummer vom neuen Album. Nachdem Jason Beck, wie Chilly bürgerlich heißt, zuletzt auf „French Kiss“ die Relativierung seiner Hass-Liebe gegenüber Frankreich umtrieb, frönt er dato wieder vermehrt dem Rap.
Der ließ ihn nach dem Genre-Aufschlag „The Unspeakable Chilly Gonzales“ nie los. Dieser wird diesmal als Premiere mit einer Deutsch-Variante bedient, die die – nach seinem Empfinden sehr humorige – hiesige Mentalität ausloten soll und als Reise mit dem “I.C.E.” (im Remix-Anschlusszug saßen Kryptic Joe und Rocko Schamoni mit im Abteil) zur quadratisch, praktisch, guten Hommage an die BRD wird.
Ein weiterer aktueller Fokus liegt auf Bayreuth: das Thema Richard Wagner im Kontext Mensch und Künstler – wonach der Protagonist die Richard-Wagner-Straße seines Wohnorts in Tina-Turner-Straße umbenennen möchte – befeuerte nach einem Dutzend textloser Jahre den Redebedarf, aber trotz des mit der Pauke donnernd unterstrichenen „F*ck Wagner“: die Melodie bleibt auch auf dieser Ausgabe wichtiger als die Botschaft.
Der Parlando des Kanadiers wohnt nahe am Groove, serviert der Meister neben dem Sprechgesang – in „Open The Kimono“ von Feature-Gast Bruiser Wolf amtlich überzeichnet – und den dazugehörigen Beats wieder eine souveräne Mixtur aus Klassik und Moderne.
Ob er dabei im Opener mit den Bongos oder in „Fidelio“ mit dramatischen Streichern arbeitet – Chillys Hausinstrument behält immer eine tragende Rolle; verleihen die Tasten „Candezza“ cineastische Größe und „Eau De Cologne” melancholischen Tiefgang.
Dato weniger Provokateur denn reflektierter Künstler, lässt Cilly Gonzales schlussendlich mit „Poem“ an seinen Schwächen teilhaben, hat „The musical genius“ mit „Gonzo“ seine Ausnahmerolle im Unterhaltungsbusiness bestätigt.