Ungeachtet dessen, dass „Everybody Scream“ am heutigen Halloween erscheint, Hexen im „Witch Dance“-Chor zu dräuen scheinen und es eingangs von „Deep Drink“ spooky zugeht: von der mystik-zugeneigten Florence Welch alias Florence + The Machine ist selbstverständlich mehr zu erwarten, als ein Halloween-Soundtrack.
Mit den All-Stars Mitski, Idles-Gitarrist Mark Bowen und Aaron Dessner von The National an ihrer Seite konnte nicht viel schief gehen. Es gibt 12 Tracks, in denen großes Songwriting, zeitgenössische Poesie, von folkloristischen Traditionen und religiösen Bräuchen gespeister Glaube an Übersinnliches mit tiefgründigen Lyrics zu einer gemeinsamen Sprache finden.
Auf der „Dance Fever“-Tour mit dem prägenden Erlebnis eines lebensrettenden Eingriffs konfrontiert, sind neben ihren Kerninteressen die Vergänglichkeit und über die Schulmedizin hinausgehende Möglichkeiten der Heilung Themen, die dato neben dem immer aktuellen Hinterfragen patriarchalischer Verhältnisse Welchs Texte bestimmen.
Kollektive Ekstase haben sich Florence +The Machine auf die Album-Fahnen geschrieben, die Arrangements bleiben für dieses Vorhaben auf der sechsten Studioausgabe gewaltig.
Sie lassen – wie die Highlands, durch die die Protagonistin im Vorab-Titelclip wandelte – in ihrer dramatischen Glam-Pop-Größe den Einzelnen oft nichtig aussehen, um ihn woanders an die Hand nehmen, in melancholischen Tönen innezuhalten und mit ihm auf Augenhöhe dem Existentiellen zu begegnen.
Inmitten wirkmächtiger Akkorde und beeindruckenden Soundpyramiden wirkt der Gesang wie ein Katalysator: „Am I so different?“ fragt die Protagonistin in „Sympathy Magic“ in die Runde. Ja, ist sie, sie fordert, sie führt, verbindet Stärke und Verletzlichkeit in einem Atemzug und über mehrere Oktaven, wozu das Personal im Maschinenraum in epischer Breite ihre Worte begleitet.
Nicht weniger intensiv die Atmosphäre, wenn sie via „Perfume And Milk“ und „Buckle“ weniger opulent, in „Music By Men“ mit einem Streicherbukett unterlegt, dargeboten wird, im Kontrast dazu setzt das vor Kraft strotzende „Kraken“ auf ungebremste Energiezufuhr, entlädt sich schließlich im Hymnischen, eine Explosion, der „The Old Religion“ mit Pauken und Trompeten folgt.
„One Of The Greats“ – ein Songtitel der Platte, der programmatisch für alle weiteren auf „Everybody Scream“ steht.
