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Mir war es wichtiger, dass man etwas fühlt – Gruff Rhys im Interview

Ein mystischer Berg im fernsten Osten, ein zwischen Mensch und Fels pendelndes Konzept und ein musikalischer Soundtrack, der alle überrascht: Das neue Studiopaket (“Seeking New Gods“) aus dem Hause Gruff Rhys hat wirklich viel zu bieten. Wir trafen uns mit dem ehemaligen Frontmann der Super Furry Animals und sprachen über den perfekten Zeitpunkt, emotionale Schienenwechsel und das Arbeiten im Konzept-Modus.

MusikBlog: Gruff, Du hast in deiner Karriere schon viele Alben aufgenommen. “Seeking New Gods” ist nun dein siebtes Studioalbum. Gibt es bezüglich der Gefühlslage vor dem Release Unterschiede zwischen der Zeit, als du deine ersten Sachen veröffentlicht hast und dem Hier und Jetzt?

Gruff Rhys: Da ist schon eine aufgeregte Grundstimmung da, die immer bleibt, und die sich im Laufe der Jahre auch nicht wirklich verändert hat. Ich bin jetzt einfach froh und happy, dass die neue Platte endlich rauskommt.

MusikBlog: Dein letztes Album “Pang!” erschien im Herbst 2018. Wann hast du mit dem Schreiben von neuen Songs angefangen?

Gruff Rhys: Das ist etwas kurios. Ich habe noch vor dem Release von “Pang!” mit den Arbeiten für “Seeking New Gods” begonnen. “Pang!” kam dann irgendwie dazwischen. Das war ein Album, das in seinem Prozess unheimlich schnell abgeschlossen werden konnte. “Pang!” wurde dann kurz vor dem Ende des “Seeking New Gods”-Mixing veröffentlicht. Danach ging es dann darum, den richtigen Zeitpunkt für “Seeking New Gods” zu finden. Das hat eine Weile gedauert. Jetzt passt es aber. Und darüber bin ich, wie gesagt, sehr froh.

MusikBlog: Nach “Babelsberg” geht es wieder um ein Konzept. Diesmal steht der Berg Paektusan im Mittelpunkt des Geschehens. Dieser Berg steht im Grenzgebiet von China und Nordkorea. Wie kamst du auf die Idee, ein ganzes Album über einen Berg zu schreiben?

Gruff Rhys: Der Berg und seine Geschichten begegneten mir erstmals in einem Buch. Ich fand die ganzen Charaktere und Kulturen, die sich mit der Geschichte dieses Berges verbinden ließen, unheimlich spannend.

MusikBlog: Das ist ja ein sehr komplexer Themenbereich. Hast du da auf Anhieb Zugang gefunden?

Gruff Rhys: Ich habe zuerst versucht, mich an geschichtlichen Fakten und bedeutenden Daten zu orientieren. Das hat aber irgendwie nicht so richtig gefruchtet. Ich bin dann auf die emotionale Schiene gewechselt. Ich wollte weg von dem Gedanken, dass die Hörer etwas lernen sollen. Mir war es wichtiger, dass man etwas fühlt, wenn man die Songs hört.

MusikBlog: Du hast wieder mit denselben Musikern aufgenommen, mit denen du auch schon das Album “Babelsberg” eingespielt hast.

Gruff Rhys: Ja, in der Tat. Ich habe die Songs geschrieben, als wir damals gemeinsam auf Tour waren. Viele dieser Songs haben wir Abend für Abend beim Soundcheck gespielt. Da habe ich gemerkt, dass die Jungs eine gute Verbindung zu den Liedern aufbauen. So kam dann eins zum anderen. Schlussendlich waren wir dann irgendwann zusammen und haben das Fundament von “Seeking New Gods” in drei Tagen eingespielt. Es gibt ein paar Overdubs und ein paar nachträglich aufgenommenen Harmonien auf dem Album. Aber die Basis des Ganzen wurde live eingespielt. Mir war es wichtig, dass wir den Moment nutzen und diesen ganz besonderen Vibe einfangen.

MusikBlog: Wurde dieser Vibe auch von äußeren Einflüssen begleitet?

Gruff Rhys: Während des Songwritings habe ich viel Musik von klassischen Liederschreibern gehört, bei denen vor allem die gesanglichen Harmonien im Vordergrund stehen. Die Musik von Leuten wie Gene Clarke und Brian Wilson war während dieser Phase sehr präsent. Später dann auf Tour waren wir dann alle im Van unterwegs. Da kam dann oftmals so ein ganz bestimmtes Jam-Feeling auf. Das floss dann auch noch irgendwie mit ein. Man nehme nur den Song “Loan Your Loneliness“: Der war eigentlich nach drei Minuten fertig. Dann haben wir aber einfach weiter gejamt.

MusikBlog:  Diese Losgelöstheit hast du nicht nur als “Bandleader” gesteuert, sondern später auch als alleiniger Produzent festgehalten. Das Mixing hast du dann aber in andere Hände gegeben. Die Rede ist von Beastie-Boys-Produzent Mario Caldato Jr.

Gruff Rhys: Ja, Mario ist ein ganz besonderer Produzent, der auch ein ganz eigenes Gespür für Mix-Prozesse hat. Wir kennen uns ja schon ziemlich lange. Mit Mario habe ich damals schon gearbeitet, als ich noch mit den Super Furry Animals unterwegs war. Mario ist unheimlich erfahren. Er ist keiner, der Dinge einfach nur so verändert oder in eine andere Richtung lenkt. Mario liebt den Klang von guten Demo-Tapes. Und diese oldschoolige Sichtweise passt sehr gut zu meinen Vorstellungen.

MusikBlog: Wie haben sich deine Vorstellungen und Sichtweisen im Laufe der Jahre verändert?

Gruff Rhys: Je älter ich werde, desto mehr merke ich, wie sehr mich der konzeptionelle Hip-Hop von früher beeinflusst und inspiriert hat. Überhaupt ist es so, dass mich diese Konzeptsachen mehr und mehr fesseln. Ich habe jetzt schon über 20 Alben in meiner Karriere veröffentlicht. Da fällt es irgendwann einfach schwer, nur bei sich und den eigenen Geschichten zu bleiben. Sich eines Themas von außen zu bedienen, ist eine unheimlich spannende Erfahrung. Ich fühle mich sehr wohl dabei, wenn ich mit Konzepten befasse. Man sollte auch nicht vergessen, dass sich jedes Konzept auch mit einem selbst beschäftigt. Man bringt ganz automatisch auch die eigene Gefühlswelt mit ein.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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