In Zeiten wie diesen, mit Klimakrise, zunehmenden geopolitischen Konflikten und fortwährender Spaltung der Gesellschaften, kann und muss Musik eine Zuflucht und einen Platz der Ablenkung bieten.
In einer Ära, in der Streaming-Plattformen die Macht über die Musiklandschaft übernommen haben (wie uns Spotify mit seinem geplanten neuen Abrechnungsmodell und der Einnahmenreduzierung für insbesondere weniger populäre Künstler*innen zeigte), war 2023 trotzdem wieder “eine Oase der Vielfalt, ein Kaleidoskop musikalischer Eindrücke und eine akustische Achterbahnfahrt”, wie ChatGPT sagen würde.
Apropos, 2023 war auch das Jahr des Siegeszuges von Generative AI, der sich auch in 2024 weiter fortsetzen wird. Musikjournalist*innen of the world – beware.
Das lang erwartete Debütalbum der Supergroup boygenius überzeugte aus dem Stand mit eindringlicher Intimität. “The Record” ist wie eine Kaffeepause mit guten Freunden – vertraut, gemütlich und trotzdem unerwartet erfrischend.
Arlo Parks veröffentlichte mit “My Soft Machine” ihr zweites Album, das wie eine seidene Decke der Reflektion und Ruhe wirkte. Ein Tagebuch, das man nur bei Sonnenuntergang liest. Ruhig, eindringlich und voller Gedanken über das Leben.
King Gizzard And The Lizard Wizard setzten ihre unzähligen kühnen musikalischen Expeditionen fort, während Grande Dame PJ Harvey mit “I Inside The Old Year Dying” wieder in ihre düstere, aber faszinierende Welt entführte.
Die Queens Of The Stone Age haben sich sechs Jahre nach ihrem letzten Album mit “In Times New Roman…” als Meister der klanglichen Schriftarten bewiesen, die Foo Fighters lieferten mit “But Here We Are” den Soundtrack für unsere Standhaftigkeit im Angesicht des Alltags-Chaos und landeten überraschend weit vorn in unseren Jahrescharts.
Aber auch die subtileren Töne hatten wieder ihren Platz: Daughter führten mit “Stereo Mind Game” – sieben Jahre nach ihrem beeindruckenden Debütalbum – behutsam durch emotionale Landschaften, Sigur Rós mit bekanntem weitläufigem Sound und insbesondere The Slow Show aus Manchester brachten mit “Subtle Love” die so dringend benötigte Entschleunigung.
Durch die Flut an neuen Alben von etablierten Künstler*innen schafften es aber auch weniger bekannte, deutsche Bands mit überzeugend kreativen Platten ins mediale Rampenlicht. Darunter z.B. mit Blond die buchstäbliche “Schwestern-Band” von Kraftklub, HOPE aus Berlin und nicht zuletzt TRÄNEN (auch wieder mit Kraftklub-Beziehung) mit ihrem NDW-revitalsierendem Debütalbum und einem mitreißendem Auftritt beim Reeperbahn Festival.
Hier unsere Redaktionscharts 2023:
- boygenius – The Record
- Slowdive – everything is alive
- Arlo Parks – My Soft Machine
- PJ Harvey – I Inside The Old Year Dying
- Queens Of The Stone Age – In Times New Roman…
- Foo Fighters – But Here We Are
- Daughter – Stereo Mind Game
- Sigur Ros – ÁTTA
- Mitski – The Land Is Inhospitable And So Are We
- Black Pumas – Chronicles Of A Diamond
- The Smashing Pumpkins – ATUM
- Nothing But Thieves – Dead Club City
- K.Flay – Mono
- The Slow Show – Subtle Love
- Hope – Navel
- Blond – Perlen
- The Streets – The Darker The Shadow, The Brighter The Light
- Fever Ray – Radical Romantics
- TRÄNEN – Haare eines Hundes
- Wednesday – Rat Saw Good
- Blur – The Ballad Of Darren
- Psychedelic Porn Crumpets – Fronzoli
- King Gizzard And The Lizard Wizard – The Silver Cord
- Hozier – Unreal Unearth
- Holly Humberstone – Paint My Bedroom Black